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Wie man das Zeitempfinden steuern könnte

    Das menschliche Gehirn misst Zeit nicht auf die gleiche Weise wie eine mechanische Uhr, die Sekunden und Minuten exakt zählt. Stattdessen funktioniert es eher wie ein Zähler von Ereignissen und Aktivitäten im Laufe der Zeit. Diese faszinierende Erkenntnis basiert auf einer aktuellen Studie von Wirt et al. (2024), in der die Gehirnaktivität von Ratten während einer speziellen Aufgabe untersucht wurde.

    Die Forscher entdeckten dabei, dass der Anteriore Cinguläre Cortex, eine bestimmte Region im Gehirn, eine Schlüsselrolle bei der Zeitmessung und -wahrnehmung spielt. Interessanterweise hing die gemessene Hirnaktivität nicht von der absolut verstrichenen Zeit ab, sondern von der Anzahl der erlebten Ereignisse und durchgeführten Aktivitäten. Das bedeutet, dass das Gehirn Zeit eher in Aktivitätseinheiten als in herkömmlichen Maßeinheiten wie Minuten oder Stunden erfasst.

    Ob die Aktivitäten als angenehm oder unangenehm empfunden werden, ist dabei gar nicht so entscheidend. Vielmehr kommt es auf die Gesamtmenge der Aktivität an. Bei mehr Aktivität vergeht die subjektiv erlebte Zeit schneller, während Langeweile und Unterforderung dazu führen, dass die Zeit langsamer verstreicht. Dieser interne Zeitmessmechanismus des Gehirns basiert auf einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Nervenzellgruppen, die wie in einer Staffel koordiniert zusammenarbeiten.

    Faszinierend ist auch, dass sich das akute Zeitempfinden, also das Erleben des Moments, vom späteren Zeitgefühl in der Erinnerung unterscheiden kann. Manchmal erscheint etwas im Nachhinein länger oder kürzer, als es tatsächlich erlebt wurde.

    Welche konkreten Anwendungen haben diese neurowissenschaftlichen Erkenntnisse für unser Alltagsleben? Um unangenehme Situationen und Wartezeiten subjektiv schneller vergehen zu lassen, ist es ratsam, sich sofort in Aktivitäten zu stürzen und sich abzulenken. Für ein bewussteres Erleben von Momenten und die Bildung guter Erinnerungen hingegen ist es günstiger, sich mehr Zeit zwischen den Aktivitäten zu nehmen und den Augenblick intensiv wahrzunehmen. So lässt sich die innere Uhr des Gehirns optimal nutzen und unser Zeitempfinden aktiv beeinflussen.



    Literatur

    Wirt, Ryan A., Soluoku, Talha K., Ricci, Ryan M., Seamans, Jeremy K. & Hyman, James M. (2024). Temporal information in the anterior cingulate cortex relates to accumulated experiences. Current Biology, 34, doi:10.1016/j.cub.2024.05.045


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