Tagträumen, also die Fähigkeit, sich ohne äußere Stimulation mit inneren Gedanken zu beschäftigen, ist eine einzigartige Eigenschaft des Menschen. Objektiv betrachtet spielt sich zwar immer etwas ab, und das auch ohne externe Reize, doch halten viele Menschen diesen Zustand für langweilig und nicht erstrebenswert, d. h., sie suchen deshalb dauernd nach etwas, mit dem sie sich ablenken und unterhalten können.
Hatano et al. (2022) haben in sechs Experimenten die Hypothese überprüft, dass Menschen ihre Fähigkeit, diesen Prozess des Nur-Denkens zu genießen, metakognitiv unterschätzen. Die Probanden wurden dabei gebeten, in einem ruhigen Raum zu sitzen und zu warten, ohne etwas zu tun.
Es zeigte sich, dass die vorhergesagte Freude und das Engagement der Teilnehmer an der Warteaufgabe deutlich geringer waren als das, was sie dann tatsächlich erlebten. Diese Unterschätzung des reinen Denkens führte auch dazu, dass die Teilnehmer die Warteaufgabe zugunsten einer alternativen Aufgabe – etwa das Abrufen von Internetnachrichten – proaktiv vermieden, obwohl sich ihre Erfahrungen statistisch nicht unterschieden. Diese Ergebnisse deuten auf eine inhärente Schwierigkeit hin, den Wert des Nachdenkens richtig einzuschätzen, was erklären könnte, warum die Menschen es vorziehen, sich zu beschäftigen, anstatt sich im Alltag einen Moment der Reflexion und Fantasie zu nehmen. Man weiß aber auch anderen Untersuchungen, dass Tagträumen und sich mit dem eigenen Denken zu beschäftigen, dabei etwa helfen kann, Probleme zu lösen und die Kreativität zu fördern. Allerdings neigen manche Menschen zu negativen Gedankenschleifen, für die ein solches Schweifen lassen der Gedanken eine Belastung wäre.
Literatur
Hatano, A., Ogulmus, C., Shigemasu, H. & Murayama, K. (2022). Thinking about thinking: People underestimate how enjoyable and engaging just waiting is. Journal of Experimental Psychology: General, doi:10.1037/xge0001255.
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