Die Magnetresonanztomographie hat das Verständnis des menschlichen Gehirns durch die gut reproduzierbare Zuordnung von Fähigkeiten zu bestimmten Strukturen etwa in Läsionsstudien und Funktionen verändert, doch bei der Erforschung und Behandlung psychischer Erkrankungen sind ähnliche Fortschritte durch die Magnetresonanztomographie noch nicht erreicht worden. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, Assoziationen zwischen interindividuellen Unterschieden in der Hirnstruktur oder -funktion und komplexen kognitiven oder psychischen Phänotypen zu reproduzieren, etwa in hirnweiten Assoziationsstudien. Solche Studien beruhen in der Regel auf Stichprobengrößen, die für das klassische Brain Mapping geeignet sind – die mittlere Stichprobengröße von Neuroimaging-Studien liegt bei etwa 25 -, aber potenziell zu klein sind, um reproduzierbare Assoziationen zwischen Gehirn und Verhaltensphänotyp zu erfassen.
Marek et al. (2022) haben drei der größten derzeit verfügbaren Neuroimaging-Datensätze verwendet mit einer Gesamtstichprobengröße von etwa 50.000 Personen, um die Effektgrößen und die Reproduzierbarkeit in Abhängigkeit von der Stichprobengröße zu quantifizieren. Dabei waren die die Zusammenhänge kleiner als bisher angenommen, was zu statistisch unzureichend abgesicherten Studien, aufgeblähten Effektgrößen und Reproduktionsfehlern bei typischen Stichprobengrößen führte. Als der Stichprobenumfang in die Tausende ging, begannen sich die Reproduktionsraten zu verbessern und die Inflation der Effektgrößen nahm ab. Robustere Effekte wurden für funktionelle Magnetresonanztomographie im Vergleich zu strukturellen, kognitiven Tests im Vergleich zu Fragebögen zur psychischen Gesundheit und multivariate Methoden im Vergleich zu univariaten festgestellt. Diese Ergebnisse zeigen die systemischen, strukturellen Probleme bei solchen Untersuchungen, die versuchen, Zusammenhänge zwischen zwei so komplexen Phänomenen wie dem menschlichen Gehirn und dem menschlichen Verhalten zu finden. Da solche Studien sehr teuer und aufwändig sind, arbeiten die viele Forscherinnen und Forscher mit zu kleinen Stichprobengrößen und finden so zufällig bedeutsame, aber falsche Beziehungen, während andere Zusammenhänge übersehen werden, was unter Umständen den Forschungsfortschritt bremsen kann. Man sollte daher öffentliche Datensätze schaffen, ähnlich wie es mit Genom-Daten der Fall ist. Dadurch könnte man relevantere Studien durchführen, um psychische Erkrankungen besser zu verstehen und bessere Behandlungsmöglichkeiten zu finden.
Literatur
Marek, Scott, Tervo-Clemmens, Brenden, Calabro, Finnegan J., Montez, David F., Kay, Benjamin P., Hatoum, Alexander S., Donohue, Meghan Rose, Foran, William, Miller, Ryland L., Hendrickson, Timothy J., Malone, Stephen M., Kandala, Sridhar, Feczko, Eric, Miranda-Dominguez, Oscar, Graham, Alice M., Earl, Eric A., Perrone, Anders J., Cordova, Michaela, Doyle, Olivia, Moore, Lucille A., Conan, Gregory M., Uriarte, Johnny, Snider, Kathy, Lynch, Benjamin J., Wilgenbusch, James C., Pengo, Thomas, Tam, Angela, Chen, Jianzhong, Newbold, Dillan J., Zheng, Annie, Seider, Nicole A., Van, Andrew N., Metoki, Athanasia, Chauvin, Roselyne J., Laumann, Timothy O., Greene, Deanna J., Petersen, Steven E., Garavan, Hugh, Thompson, Wesley K., Nichols, Thomas E., Yeo, B. T. Thomas, Barch, Deanna M., Luna, Beatriz, Fair, Damien A. & Dosenbach, Nico U. F. (2022). Reproducible brain-wide association studies require thousands of individuals. Nature, doi:10.1038/s41586-022-04492-9.
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