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Verhaltenstherapie bei Panikattacken

Die von einer Panikattacke Betroffenen stehen voll auf dem Gas und gleichzeitig auf der Bremse.
Hans Morschitzky

*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Panik gilt als ein Zustand extremer und urplötzlich eintretender Angst. Das Wort ist von dem griechischen Hirtengott Pan abgeleitet, der jeden, der ihn in seiner Mittagsruhe störte, in „panischen“ Schrecken versetzte und fortjagte. So soll er etwa Herdentiere urplötzlich aufgeschreckt und damit eine Massenflucht ausgelöst haben. Man unterscheidet Panikattacken und Panikstörungen: Eine Panikstörung ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Panikattacken, d.h. Episoden von schnell ansteigender Furcht, in Verbindung mit massiven Körpersymptomen (Herzschlagen, Schwitzen, Schwindel usw.) und Befürchtungen, zu sterben, die Kontrolle zu verlieren oder sich bei einer Panikattacke zu blamieren. Während Panikattacken ein häufiges und unproblematisches Phänomen sind, ist die Panikstörung durch Erwartungsangst (Angst vor der Angst) und Versuche, die Angst zu vermeiden (körperliches Schonverhalten, Verzicht auf Kaffee etc.) gekennzeichnet. Viele Betroffene vermeiden in einem zweiten Schritt nach Möglichkeit nicht nur die Angstattacken selbst, sondern auch Situationen in denen sie diesen „schutzlos“ ausgeliefert sein könnten (Alleinsein, Menschenmengen, enge Räume, weite Plätze). Dieses Phänomen bezeichnet man als Platzangst bzw. Agoraphobie. Doch hilft die Vermeidung von Angst nur kurzfristig und alle Versuche, die Angst zu vermeiden führen langfristig zu einem Anstieg der Erwartungsangst.

Im Rahmen einer Studie an 364 Patienten in sieben Forschungseinrichtungen in Dresden, Berlin, Aachen, Würzburg, Bremen, Münster und Greifswald konnten beinahe alle, die an der Therapie bis zum Ende teilnahmen (10 Prozent Abbrecher), von ihren Ängsten befreit werden. Allerdings brachen rund zehn Prozent der Probanden die Therapie ab, in welcher der Klient mit den angstauslösenden Situationen konfrontiert wird und dadurch Schritt für Schritt die Ängste überwindet. In der sechswöchigen Therapie setzten sich die Patienten zunächst mit den typischen Körpersymptomen wie Schweißausbruch und erhöhte Herzfrequenz auseinander. In einem zweiten Schritt wurden sie mit den heiklen Situationen, wie dem Besuch eines Kaufhauses oder einer Busfahrt, konfrontiert, wobei sie das für Panikgestörte typische Verhalten vermeiden sollten: Statt aus dem Kaufhaus zu flüchten, stellen sie sich ihren Ängsten, solange bis sie von allein wieder nachlässt.

Eine medikamentöse Behandlung ist langfristig kontraproduktiv, da dadurch die Funktion von Angstvermeidung aufrechterhalten wird, wobei besonders Antidepressiva wie Diazepam oder Faustan dazu führen, dass das Krankheitsbild chronisch wird, wobei noch ein hohes Abhängigkeitspotenzial dieser Medikamente hinzukommt. Die über zwölf Sitzungen laufende Verhaltenstherapie ist auch wesentlich kostengünstiger als eine Behandlung mit Medikamenten oder eine tiefenpsycholgisch begründete Langzeittherapie.

Behandeln lässt sich die Panikstörung daher am besten mit einer Verhaltenstherapie, bei der die Betroffenen lernen, besser mit ihrer Angst umzugehen. In Experimenten mit PatientInnen, deren Panikstörung noch nicht mit einer Kognitiven Verhaltenstherapie behandelt worden war, wurden diese in zwei Gruppen geteilt, von denen eine Therapie erhielten und danach wiederholt getestet wurde, wobei als Vergleich gesunde Probanden und Probandinnen dienten. Den Probanden und Probandinnen wurden im MRT eine sprachliche Aufgabe gestellt, wobei es um die Vorbereitung der Symptome einer Panikattacke durch typische Auslöser von Panik, etwa durch das Wort „Aufzug“, ging, das Betroffene oft mit dem Gefühl von auswegloser Enge und Angst verbinden. Hatten die Betroffenen noch keine Kognitive Verhaltenstherapie absolviert, so nahmen sie eine stärkere Zusammengehörigkeit zwischen panik-auslösenden und symptombeschreibenden Wörtern wahr als gesunde Probanden und Probandinnen. Dieser Effekt spiegelte sich in der veränderten Aktivität bestimmter Hirnareale wider. Nach der Kognitiven Verhaltenstherapie ging es den Betroffenen nicht nur besser, sondern ihre sprachliche Verarbeitung hatte sich auch normalisiert. Dabei war die Gehirnaktivität in jenem Areal gedämpft, das panik-bezogene Wortpaare verarbeitet. Offenbar unterbindet die Kognitiven Verhaltenstherapie Assoziationen, die für PatientInnen mit Panikstörung symptomatisch sind.



Literatur

Yang, Yunbo, Lueken, Ulrike, Richter, Jan, Hamm, Alfons, Wittmann, André, Konrad, Carsten, Ströhle, Andreas, Pfleiderer, Bettina, Herrmann, Martin J., Lang, Thomas, Lotze, Martin, Deckert, Jürgen, Arolt, Volker, Wittchen, Hans-Ulrich, Straube, Benjamin & Kircher, Tilo (2019). Effect of CBT on Biased Semantic Network in Panic Disorder: A Multicenter fMRI Study Using Semantic Priming. American Journal of Psychiatry, doi:10.1176/appi.ajp.2019.19020202.
http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?aktion=jour_pm&r=352321 (09-01-10)
http://www.welt.de/wissenschaft/article2993279/Verhaltenstherapie-kann-gegen-Panik-helfen.html (09-01-10)


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3 Gedanken zu „Verhaltenstherapie bei Panikattacken“

  1. Diazepam (Faustan) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der langwirksamen Benzodiazepine. Diazepam selbst erfuhr seine Beliebtheit unter der Markenbezeichnung Valium der Firma Hoffmann La Roche, das noch immer eines der am häufigsten verwendeten Arzneimittel der Welt darstellt. Diazepam/Faustan/Valium dient als Beruhigungsmittel, als mildes Einschlafmittel als Muskelrelaxant und als angstlösendes Arzneimittel. Es findet auch Verwendung als Mittel gegen Krampfanfälle. Es wird insbesondere als Psychopharmakon zur Behandlung von Angstzuständen, in der Therapie epileptischer Anfälle und als Schlafmittel angewendet.
    Der Entzug von Diazepam muss unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, denn Versuche, den Konsum auf eigene Faust einzustellen, können lebensbedrohlich sein. Der körperliche Entzug von Benzodiazepinen ist langwieriger und gefährlicher als der von Opiaten. Der langsame Substanzabbau im Körper ist eine der Ursachen dafür, dass die Entzugserscheinungen relativ lange andauern. Nach dem kompletten Absetzen der Benzodiazepine vergehen noch einige Wochen, bis eine geistig-seelische Stabilisierung erreicht ist.

  2. Die Methoden der Verhaltenstherapie bei Panikattacken sind zutreffend beschrieben. Die beschriebenen 12 Sitzungen beziehen sich m.E. auf das Setting der Studie. Für Studien werden Versuchs- und Kontrollgruppen selektiert. In realistischen Psychotherapien werden manchmal die 12 Sitzungen ausreichend sein, manchmal wird es mehr brauchen. Faktoren, die dies bedingen, werden für eine Studie regelmäßig ausgeschlossen.
    In der Darstellung ist leider ein Fehler unterlaufen. Diazepam und Faustan sind keine Antidepressiva, sondern Benzodiazepine. Diese haben ein Abhängigkeitspotential und führen bei entsprechend häufigem Gebrauch zu einem Suchtproblem. Antidepressiva hingegen machen nicht abhängig und sind bei den Patienten, die zusätzlich unter einer Depression oder anderen psychischen Störungen bzw. Erkrankungen leiden bzw. schwer angstgestört sind, häufig sehr sinnvoll einzusetzen. In der modernen psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung steht nicht mehr der Streit zwischen Medikament oder Psychotherapie im Mittelpunkt, sondern die Orientierung der Behandlungsstrategie an der Ausprägung der Beschwerden. Manchmal ermöglichen Antidepressiva erst den Beginn einer Psychotherapie, auch den einer Verhaltenstherapie bei Panikattacken.

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