Zum Inhalt springen

Altersabhängige Verzerrungen in der Gesichtserkennung

    Anzeige

    Das Phänomen des Own-Age Bias beschreibt die altersabhängigen Verzerrung in der Gesichtserkennung, also die Tendenz von Menschen, Gesichter von Personen aus der eigenen Altersgruppe besser wiederzuerkennen als Gesichter deutlich jüngerer oder älterer Personen. Zwar ist dieser Effekt in der psychologischen Forschung seit Langem bekannt, doch eine Studie von Civile & Wang (2025) zeigte, dass er nicht für alle Altersgruppen gleichermaßen gilt und stark von Lebenserfahrung und wahrnehmungsbezogener Expertise abhängt. In einem Experiment untersuchte manzwei klar getrennte Altersgruppen: junge Erwachsene im Alter von 19 bis 30 Jahren aus der Generation Z sowie ältere Erwachsene zwischen 69 und 80 Jahren aus der Baby-Boomer-Generation. Die Teilnehmenden sollten zunächst unbekannte Gesichter unterschiedlichen Alters einprägen und diese später aus einer größeren Menge wiedererkennen. Zusätzlich wurden die Gesichter sowohl in aufrechter als auch in um 180 Grad gedrehter Form präsentiert, um den sogenannten Face Inversion Effect zu prüfen, der beschreibt, dass Gesichter kopfüber generell schlechter erkannt werden, da die gewohnte holistische Verarbeitung gestört ist.

    Die Ergebnisse zeigzen zunächst, dass beide Altersgruppen bei umgedrehten Gesichtern ähnlich schlecht abschnitten, was darauf hindeutet, dass weder junge noch ältere Erwachsene über besondere Erfahrung im Erkennen invertierter Gesichter verfügen. Entscheidend waren jedoch die Befunde bei aufrecht präsentierten Gesichtern: Hier zeigten junge Erwachsene einen ausgeprägten Own-Age Bias. Sie erkannten Gesichter Gleichaltriger deutlich besser als Gesichter älterer Personen. Die ältere Vergleichsgruppe hingegen erkannte sowohl jüngere als auch gleichaltrige Gesichter zuverlässig und zeigte keine altersbezogene Verzerrung in der Wiedererkennungsleistung. Insgesamt erzielten die älteren Teilnehmenden sogar bessere Erkennungsleistungen als die jüngeren.

    Man führt diese Unterschiede nicht auf altersbedingte Diskriminierung oder bewusste Vorurteile zurück, sondern auf Unterschiede in der wahrnehmungsbezogenen Erfahrung. Ältere Erwachsene haben im Laufe ihres Lebens gelernt, Gesichter aus verschiedenen Altersstufen zu verarbeiten: zunächst jüngere Gesichter in der eigenen Jugend und später zunehmend auch ältere Gesichter. Jüngere Menschen hingegen bewegen sich häufiger in alters homogeneren sozialen Kontexten und entwickeln dadurch vor allem Expertise für Gesichter aus der eigenen Generation. Der Own-Age Bias erscheint somit als ein Effekt mangelnder kognitiver Erfahrung und nicht als Ausdruck sozialer Abwertung.

    Die Studie unterstreicht zudem die praktische Relevanz dieses Phänomens, denn insbesondere in Situationen wie Zeugenaussagen oder polizeilichen Identifikationsverfahren kann das Alter einer Person die Genauigkeit bei der Wiedererkennung von Verdächtigen außerhalb der eigenen Altersgruppe beeinflussen. Man betont daher, dass gezielte Schulungen oder vermehrte Erfahrung mit Gesichtern unterschiedlicher Altersgruppen den Own-Age Bias reduzieren könnten.

    Literatur

    Civile, C., & Wang, G. (2025). Testing the own-age bias in face recognition among younger and older adults via the face inversion effect. Perception, doi:10.1177/03010066251405714

    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Pädagogische Neuigkeiten für Psychologen :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert