Gerüche beeinflussen das soziales Miteinander auf eine Weise, die lange unterschätzt wurde. Ob eine Person sympathisch ist oder nicht, entscheidet sich nicht nur durch Worte oder Gestik – auch der Geruchssinn spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Aussage „jemanden nicht riechen können“ hat also nicht nur metaphorische Bedeutung, sondern ist biologisch und psychologisch fundiert. Lange ging man davon aus, dass die olfaktorische Bewertung anderer Menschen weitgehend stabil sei, doch neuere Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich diese Wahrnehmung durch zwischenmenschliche Erfahrungen verändern kann.
Eine Studie von Gaby, Gunaydin & Zayas (2025) untersuchte die olfaktorische Komponente von Freundschaftsbildung. In einem experimentellen Design nahmen Frauen an einem Speed-Friending-Event teil, bei dem sie sich kurzzeitig persönlich begegneten. Vor und nach dem persönlichen Kontakt beurteilten sie den Körpergeruch anderer Teilnehmerinnen – allerdings nicht in Reinform, sondern so, wie er im Alltag auftritt, also vermischt mit Parfüm, Duschgel oder Shampoo. Ich zeigte sich, dass ein zunächst als unangenehm empfundener Geruch nach einer positiven Begegnung als angenehmer wahrgenommen werden konnte. Dieser Wandel in der Geruchswahrnehmung wurde durch die Qualität des persönlichen Austauschs beeinflusst und spricht für eine hohe emotionale Plastizität des menschlichen Riechsystems. Die Geruchsbewertung war dabei weniger durch allgemeine Trends, sondern stärker durch individuelle Präferenzen geprägt – ein Hinweis auf die tiefe subjektive Verankerung dieser Wahrnehmung.
Die Erkenntnisse verweisen auf die Bedeutung von emotionaler Konditionierung, d. h., Menschen verknüpfen Gerüche mit Erfahrungen, sodass positive Erlebnisse mit einer Person dazu führen können, dass ihr Geruch als angenehm empfunden wird – selbst dann, wenn dieser objektiv unverändert bleibt. Umgekehrt kann ein früher geschätzter Geruch abstoßend wirken, wenn die Beziehung negativ geprägt wurde. Diese emotionalen Assoziationen entstehen weitgehend unbewusst und sind im limbischen System verankert, also jenem Teil des Gehirns, der für Emotionen und Gedächtnis zuständig ist. Gerüche wirken gleichsam wie emotionale Fingerabdrücke, denn sobald das Gehirn den Geruch einer Person registriert hat, speichert es ihn gemeinsam mit den damit verbundenen Gefühlen und Erinnerungen ab. Riecht man diesen Geruch erneut, werden die damals erlebten Emotionen reaktiviert, ohne dass dieser Vorgang bewusst wird. Der Geruchssinn beeinflusst aber nicht nur Sympathie oder Antipathie, sondern kann sogar die Entstehung und Qualität von Freundschaften mitbestimmen.
Literatur
Gaby, J. M., Gunaydin, G., & Zayas, V. (2025). The interactive role of odor associations in friendship preferences. Scientific Reports, 15, doi:10.1038/s41598-025-94350-1
Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Pädagogische Neuigkeiten für Psychologen :::