Das Verarbeiten der Zahl Null ist für das menschliche Gehirn bekanntlich eine alles andere als triviale Leistung, denn eine leere Menge, ein Nichts, muss dabei als Teil der mentalen Zahlenreihe erkannt und korrekt eingeordnet werden. Anders als andere Zahlen wie Eins, Zwei oder Drei, die zählbare Quantitäten repräsentieren, bedeutet Null die Abwesenheit von etwas Zählbarem und gleichzeitig trotzdem einen numerischen Wert. Schon die Vorfahren beherrschten das Zählen und schufen sich Zahlensysteme, um Mengen anzugeben, wobei sich im Gehirn sogar eigene Areale für die Verarbeitung von Zahlengrößen entwickelt haben. In der Menschheitsgeschichte hat es lange gedauert, bis die Null als Zahl erkannt und genutzt wurde, und auch Kinder verstehen erst lange nachdem sie Zählen gelernt haben, dass auch die Null als Zahl zu betrachten ist (Stangl, 2017).
Die Zahl Null nimmt unter den Zahlen generell eine Sonderstellung ein, die für die Entwicklung einer umfassenden Zahlentheorie unerlässlich ist, doch trotz ihrer Bedeutung in der Mathematik ist die neuronale Grundlage der Null im menschlichen Gehirn unbekannt. Kutter et al. (2024) führten bei neurochirurgischen Patienten – denen zur OP-Vorbereitung haarfeine Mikroelektroden in den Schläfenlappen eingesetzt worden waren – Ableitungen einzelner Neuronen durch, während sie Urteile über nicht-symbolische Zahlendarstellungen (Punktzahl), einschließlich der leeren Menge, und symbolische Zahlen (arabische Ziffern), einschließlich der Zahl Null, abgaben. Die Zahlenwerte wurden einerseits als arabische Ziffern und andererseits als Punktemengen gezeigt – einschließlich einer leeren Menge. Dabei zeigte sich, dass die Neuronen entweder auf die leere Menge oder die Zahl Null reagierten, aber nicht auf beide.
Die neuronale Aktivität für die Null sowohl in nicht-symbolischen als auch in symbolischen Formaten wies einen numerischen Distanzeffekt auf, was darauf hindeutet, dass Nullrepräsentationen zusammen mit abzählbaren Zahlen und positiven ganzen Zahlen am unteren Ende der Zahlenreihe integriert werden. Es gab dabei eine Grenze in der neuronalen Kodierung zwischen der nicht-symbolischen leeren Menge und kleinen Zahlen, die mit der relativen Schwierigkeit korrelierte, die Zahl Null im Verhalten zu unterscheiden. Umgekehrt wurde keine derartige Grenze für die Aktivität der symbolischen Null gefunden, was darauf hindeutet, dass symbolische Repräsentationen die Null mit anderen Ziffern entlang der Zahlenreihe integrieren und damit ihre Ausreißerrolle in Einklang bringen. Der Status der Null als eine besondere, nicht symbolische numerische Größe spiegelt sich ofenbar in der Aktivität der Neuronen im menschlichen Gehirn wider, die als Gerüst für fortgeschrittenere Darstellungen der Null als symbolische Zahl zu dienen scheint, wobei sich dadurch auch die Wichtigkeit symbolischer Repräsentationen etwa durch arabische Ziffern für die Integration der Zahl Null auf dem Zahlenstrahl im menschlichen Gehirn.
Literatur
Kutter, Esther F., Dehnen, Gert, Borger, Valeri, Surges, Rainer, Nieder, Andreas & Mormann, Florian (2024). Single-neuron representation of nonsymbolic and symbolic number zero in the human medial temporal lobe.Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2024.08.041.
Stangl, W. (2017, 25. September). Das Gehirn und die Zahl Null. Psychologie-News.
https:// psychologie-news.stangl.eu/2341/das-gehirn-und-die-zahl-null.
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