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Tabuthemen der psychologischen Forschung in den USA

    Clark et al. (2024) haben in einer Studie Konflikt- und Konsenspunkte in Bezug auf umstrittene empirische Behauptungen und normative Präferenzen untersucht, um zu zeigen, dass auch innerhalb der Psychologie Tabus in Bezug auf manche psychologische Erkenntnisse bestehen, die man in besser nicht in der Öffentlichkeit teilt. Im Rahmen einer Pilotstudie wurde zunächst eine anonyme Online-Umfrage unter rund 4600 Psychologieprofessorinnen und -professoren von 133 US-Universitäten durchgeführt, um die zehn am häufigsten genannten Thesen zu ermitteln. Diese wurden anschließend in einer weiteren Umfrage unter rund 40 forschenden Psychologinnen und Psychologen in den USA erfragt. Von den 4600 befragten Psychologieprofessorinnen und -professoren beteiligten sich 470, was einem Anteil von knapp zehn Prozent entspricht. Die Befragten waren hinsichtlich Alter, Geschlecht, Position und politischer Einstellung repräsentativ für die Grundgesamtheit. Zu jeder der zehn Aussagen wurden die folgenden Fragen beantwortet: Wie wahrscheinlich ist die These wahr oder falsch? Würden Sie zögern, die These auf einer Konferenz zu äußern? Und sollten Forschende daran gehindert werden, die These empirisch zu prüfen?

    Die Universitätsprofessoren waren sich in Bezug auf die Wahrheit von 10 Tabu-Kandidaten stark uneinig. Bei jeder Schlussfolgerung waren einige Professoren zu 100 % sicher, dass sie wahr ist, während andere ebenso sicher waren, dass sie falsch ist. All jene Professoren, die sich sicherer über den Wahrheitsgehalt der Tabu-Schlussfolgerungen fühlten, berichteten von einer höheren Selbstzensur. Dieses Muster könnte den wahrgenommenen wissenschaftlichen Konsens bezüglich der Falschheit umstrittener Schlussfolgerungen verzerren. Fast alle Professoren hatten Angst vor sozialen Sanktionen, falls sie ihre eigenen empirischen Überzeugungen äußern würden. Sowohl Professoren mit als auch ohne festen Vertrag berichteten von einem ähnlichen Maß an Selbstzensur und Angst vor Konsequenzen. Die meisten Professoren lehnten es aufgrund moralischer Bedenken ab, Wissenschaft zu unterdrücken und Kollegen aufgrund moralischer Bedenken zu bestrafen.

    Jüngere, linksorientierte und weibliche Lehrkräfte standen eher ablehnend gegenüber kontroversen wissenschaftlichen Arbeiten. Zu den größten Tabus gehörten beispielsweise die Diskussion über Vorteile von sexualisierter Gewalt in der Evolution und soziale Einflüsse als Ursache von Trans-Identität. Eine knappe Mehrheit der Befragten bevorzugte die vollständige freie Untersuchung von Forschungsfragen. Eine knappe Minderheit befürwortete einschränkende Maßnahmen. Die Meinungen waren differenziert je nach konkretem Thema: Insbesondere die Forschung zur Erblichkeit von IQ-Unterschieden sollte laut einigen Befragten verhindert werden, doch nicht einmal ein Viertel unterstützte diese Einschränkung. Ebenso waren einige dazu bereit, Vertreter kritischer Thesen von Führungspositionen zu entfernen oder von Veranstaltungen auszuschließen. Social Media-Stigmatisierung oder gar Entlassung wurde selten befürwortet. Die große Mehrheit lehnte das Zurückziehen oder Nicht-Veröffentlichen von wissenschaftlichen Studien aus moralischen Gründen ab.

    Einige Fachzeitschriften haben bereits Maßnahmen ergriffen, um Beiträge abzulehnen oder zurückzuziehen, falls sie Schaden anrichten könnten, der schwerer wiegt als die Einschränkung der Forschungsfreiheit. Wenn Befunde dazu missbraucht werden könnten, Gruppen zu stigmatisieren, besteht eine solche Gefahr. Andererseits wird die Forschungsfreiheit als hohes Gut angesehen. Wissenschaft soll die Realität wahrheitsgemäß beschreiben, daher ist es wichtig, dass umstrittene Hypothesen erforscht und öffentlich diskutiert werden können.



    Literatur

    Clark, Cory J., Fjeldmark, Matias, Lu, Louise, Baumeister, Roy F., Ceci, Stephen, Frey, Komi, Miller, Geoffrey, Reilly, Wilfred, Tice, Dianne, von Hippel, William, Williams, Wendy M., Winegard, Bo M. & Tetlock, Philip E. (2024). Taboos and Self-Censorship Among U.S. Psychology Professors. Perspectives on Psychological Science, doi:10.1177/17456916241252085.


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