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Kann ein Computer Bewusstsein haben?

    Der Philosoph John R. Searle veröffentlichte 1980 seinen Aufsatz „Minds, Brains, and Programs“ mit einem Gedankenexperiment – dem „Chinesischen Zimmer“ – als durchdachtes Argument im wissenschaftlichen Streit um die Frage, ob Maschinen allein durch die Ausführung eines geeigneten Programms ein Bewusstsein entwickeln können. Dieses Experiment stellt eine notwendige Erweiterung des Turing-Tests dar. Der Turing-Test wird eingesetzt, um zu überprüfen, ob eine Maschine das Denkvermögen eines Menschen hat, wobei für den Test eine Versuchsperson mit einem Menschen und mit einem Computer spricht und dann entscheiden muss, welcher Gesprächspartner der Mensch und welcher die Maschine war. Alan Turing, sah den Test für eine Maschine dann als bestanden an, wenn mindestens dreißig Prozent der Versuchspersonen sie für einen Menschen hielten. Übrigens sind CAPTCHAs, bei denen man auf Internetseiten aufgefordert wird, eine angezeigte Buchstaben- oder Ziffernkombination einzugeben, ein Ausfluss dieses Prinzips, denn UserInnen sollen so beweisen, dass sie ein echter menschlicher NutzerInnen sind und keine Bots.

    Eine Person, die weder Chinesisch sprechen noch schreiben kann, ist in einem Raum eingeschlossen. Dort liegt ein Buch mit genauen Anweisungen, mit welchen Schriftzeichen die Person auf andere Schriftzeichen reagieren soll. Wie eine KI, die genaue Anweisungen erhält, wie sie in welcher Situation statistisch am besten reagieren soll. Eine zweite Person, die Chinesisch versteht, schiebt einen Zettel mit einer Frage unter den Türspalt. Darauf steht zum Beispiel auf Chinesisch: Was ist deine Lieblingsfarbe? Die Person im Raum versteht diese Frage nicht, aber sie folgt den Anweisungen in ihrem Buch und schiebt den Zettel mit den nachgebildeten Schriftzeichen zurück in die Außenwelt. Und die Person, die Chinesisch kann, liest eine natürlich klingende und klar verständliche Antwort vor, etwa: „Grün, aber ich mag auch lila“.
    Die Frage ist: Macht es überhaupt einen Unterschied, ob die Person im Raum wirklich Chinesisch versteht oder nicht? Denn für die Person, die Chinesisch kann, ist das vielleicht völlig irrelevant, solange sie eine schlüssige Antwort bekommt. Der entscheidende Unterschied zum menschlichen Lernen ist, dass es immer wieder die gleichen Algorithmen auf die gleiche Frage anwenden wird, während der Mensch, der die Frage gestellt hat, sich immer an die Antwort erinnern wird, was eine KI nicht kann. Künstliche Intelligenz lernt z.B. aus Unmengen von Daten, welche Form oder welches Farbschema z.B. ein Feuerwehrauto hat und nutzt diese Daten, um eine statistisch möglichst passende bzw. richtige Antwort zu geben. Für ein menschliches Gehirn reicht es in der Regel aus, ein Feuerwehrauto einmal gesehen zu haben, um es für den Rest seines Lebens wiederzuerkennen. Zwar wird auch die KI immer komplexer, so dass es inzwischen Sprachmodelle gibt, deren Antworten spontan und zufällig wirken, weil sie auf ein ganzes Spektrum möglicher Antworten trainiert werden können, die dann nach einer festgelegten Gewichtung oder nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden.

    Das Experiment zeigt also, dass ein Computer ein Programm ausführen und regelbasiert Zeichenfolgen verändern kann, ohne die Bedeutung der Zeichen zu verstehen, denn die Fähigkeit zur Syntax kann nach Searle nicht zur Semantik befähigen, denn dazu müsste ein Computer Intentionalität besitzen. Es reicht also nicht aus, dass eine programmierte Rechenmaschine den Turing-Test besteht, um als intelligent zu gelten, d.h. das Bestehen des Turing-Tests ist kein hinreichendes Kriterium für sogenannte starke künstliche Intelligenz. Darüber hinaus stellt er komputationale Theorien des Geistes in Frage.



    Literatur

    Searle, John R. (1980). Minds, Brains, and Programs. The Behavioral and Brain Sciences, 3, 417-457.
    Stangl, W. (2024, 23. Jänner). künstliche Intelligenz. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
    https:// lexikon.stangl.eu/13243/kuenstliche-intelligenz.
    Walch-Nasseri, F. (2024). Feuchter Händedruck von ChatGPT?
    WWW: https://taz.de/Kuenstliche-Intelligenz-in-der-Robotik/!5985192/ (24-01-22)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesisches_Zimmer (21-03-09)


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