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Mütterliche Misshandlung und gesundheitliche Folgen für ihre Kinder

    Misshandlung in der Kindheit wird bekanntlich mit nachteiligen gesundheitlichen Folgen in Verbindung gebracht, wobei man seit neuestem weiß, dass dieses Risiko an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Moog et al. (2023) haben nun den Zusammenhang zwischen mütterlicher Misshandlung in der Kindheit und häufigen körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen in der Kindheit, neurologischen Entwicklungsstörungen und entsprechenden Komorbiditätsmustern bei den Nachkommen untersucht. Sie führten eine retrospektive Kohortenstudie mit Daten aus dem Environmental influences on Child Health Outcomes-Programm durch, das ins Leben gerufen wurde, um den Einfluss früher Lebensbelastungen auf die Gesundheit und Entwicklung von Kindern in den USA zu untersuchen.

    Analysiert wurden 4337 Mutter-Kind-Dyaden, für die Daten über die mütterliche Misshandlungsexposition in der Kindheit und mindestens eine Messung des Gesundheitszustands des Kindes (Autismus-Spektrum-Störung, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, internalisierende Probleme, Fettleibigkeit, Allergie und Asthma) vorlagen. Die mütterliche Anamnese zu Misshandlungen in der Kindheit wurde retrospektiv mit Hilfe der Fragebögen „Adverse Childhood Experiences“ oder „Life Stressor Checklist“ erhoben. Man leitete daraus die Prävalenz der spezifizierten Gesundheitsmaßnahmen bei den Nachkommen über die gesamte Kindheit und Jugend hinweg ab, indem man die Berichte der Betreuungspersonen und andere relevante Quellen wie medizinische Aufzeichnungen über die Kohorten hinweg harmonisierte. Die internalisierenden Symptome der Kinder wurden mit der Child Behavior Checklist erfasst.

    Die Zusammenhänge zwischen mütterlicher Misshandlung in der Kindheit und den gesundheitlichen Folgen in der Kindheit wurden mit einer Reihe von logistischen Regressionsmodellen mit gemischten Effekten gemessen. Zu den Kovariaten gehörten dabei das Geschlecht, die Rasse und die ethnische Zugehörigkeit des Kindes, das Alter der Mutter und des Vaters, die Bildung der Mutter, das kombinierte jährliche Haushaltseinkommen, die mütterliche Diagnose einer Depression, eines Asthmas, einer ADHS, einer Allergie oder einer Autismus-Spektrum-Störung sowie die mütterliche Fettleibigkeit. Es wurden zwei latente Klassenanalysen durchgeführt: zur Charakterisierung von Mustern der Komorbidität von Gesundheitszuständen bei Kindern und zur Charakterisierung von Mustern des gemeinsamen Auftretens von Untertypen der Misshandlung von Kindern. Anschließend untersuchte man noch den Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer latenten Klasse und der mütterlichen Misshandlung in der Kindheit bzw. den gesundheitlichen Folgen für das Kind.

    Von den 3954 Müttern in der Studie waren 1742 (44 %) in ihrer Kindheit Missbrauch oder Vernachlässigung ausgesetzt. Kinder von Müttern, die Misshandlungen in der Kindheit ausgesetzt waren, wiesen eher ein diagnostisches Muster auf, das durch ein höheres Risiko für Multimorbidität gekennzeichnet war, wobei die Exposition gegenüber mehreren Formen von Misshandlung über alle Subtypen mütterlicher Misshandlung in der Kindheit mit den höchsten Risikoerhöhungen für die meisten gesundheitlichen Ergebnisse der Nachkommen verbunden war, was auf eine Dosis-Wirkungs-Beziehung hindeutet. Die Nachkommen von Frauen hatten dabei ein höheres Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Vorstufen von Depression und Angststörungen, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Autismus und Asthma. Bei Töchtern dieser Mütter wurde zudem häufiger Übergewicht festgestellt als bei deren Söhnen. Zwar kann man streng genommen aus den Daten nur Zusammenhänge feststellen, d. h., den Missbrauch nicht als direkte Ursache der Erkrankungen festmachen, doch stützen auch diese Daten die Weitergabe von solchen Risiken über Generationen hinweg. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Misshandlungserfahrungen in der Kindheit der Mutter ein Risikofaktor für die Krankheitsanfälligkeit der Nachkommen in Bezug auf eine Vielzahl von Störungen sein können, und unterstreichen die Notwendigkeit von Maßnahmen, die sich darauf konzentrieren, die intergenerationale Weitergabe von solchen Widrigkeiten zu unterbrechen.



    Literatur

    Moog, Nora K., Cummings, Peter D., Jackson, Kathryn L., Aschner, Judy L., Barrett, Emily S., Bastain, Theresa M., Blackwell, Courtney K., Bosquet Enlow, Michelle, Breton, Carrie V., Bush, Nicole R., Deoni, Sean C. L., Duarte, Cristiane S., Ferrara, Assiamira, Grant, Torie L., Hipwell, Alison E., Jones, Kathryn, Leve, Leslie D., Lovinsky-Desir, Stephanie, Miller, Richard K., Monk, Catherine, Oken, Emily, Posner, Jonathan, Schmidt, Rebecca J., Wright, Rosalind J., Entringer, Sonja, Simhan, Hyagriv N., Wadhwa, Pathik D., O’Connor, Thomas G., Musci, Rashelle J. & Buss, Claudia (2023). Intergenerational transmission of the effects of maternal exposure to childhood maltreatment in the USA: a retrospective cohort study. The Lancet Public Health, 8, doi:10.1016/S2468-2667(23)00025-7.


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