Das Zeitempfinden ist ein wichtiger Teil der menschlichen Erfahrung und wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter kognitive und emotionale Zustände, Alter, körperliche Aktivität und die Umgebung. Einige Menschen haben das Gefühl, dass die Zeit schnell vergeht, während andere das Gegenteil empfinden. Die Psychologie des Zeitempfindens beschäftigt sich mit der Erforschung der verschiedenen Faktoren, die das Zeitempfinden beeinflussen und wie es sich auf das Verhalten und die Erfahrungen von Menschen auswirkt. Es gibt auch verschiedene Theorien darüber, wie das Gehirn die Zeit wahrnimmt und verarbeitet, die von der Psychologie des Zeitempfindens untersucht werden. Übrigens Auch können auch Tiere und kleine Kinder bereits Unterschiede in der Dauer von Reizen wahrnehmen, sodass man davon ausgehen kann, dass die Wahrnehmung von Zeit angeboren ist. Bekantlich vergeht die Zeit schneller, wenn man etwas tut, das glücklich macht, neu ist oder körperlich und emotional fordert. Das sind aber eben auch die Momente, die später im Rückblick viel länger in Erinnerung bleiben als eben jene, in denen man dem Sekundenzeiger bei seiner Runde zusieht und sich die Zeit wie Kaugummi zu ziehen scheint. Diese Momente landen in der Regel nicht einmal im Langzeitgedächtnis und geraten so schnell in Vergessenheit.
Gefühlte Zeit bestimmt die Entscheidungen der Menschen im Alltag: Soll man auf den Aufzug warten oder die Treppen nehmen, stellt man sich jetzt in die Schlange oder kommt man später wieder? Ökonomische Fragen sind zeitabhängig: Soll man sein Geld langfristig anlegen oder für sein Traumauto ausgeben? Gefühlte Zeit bestimmt aber auch das Verhältnis zum Älterwerden: Auf einmal spürt man, dass man nicht mehr der junge Mensch sind, für den man sich immer hielt. Mit Erschrecken bemerkt man dass mit zunehmendem Alter die Zeit immer schneller vergeht. Die Erfahrung von Zeit sagt auch etwas über den Menschen selbst aus. Menschen sind gewissermaßen die Zeit, ihr Zeitgefühl reflektiert ihre Lebensweise und ihr Selbst. Oft ist der Umgang mit der Zeit für Erfolg im Leben wichtiger ist als etwa der IQ, aber Menschen sind ihrem Zeitgefühl nicht hilflos ausgeliefert, sondern können es durch Achtsamkeit beeinflussen.
In einer aktuellen Studie von Wirt et al. (2024) wurde die Gehirnaktivität von Ratten während einer speziellen Aufgabe untersucht. Die Forscher entdeckten dabei, dass der Anteriore Cinguläre Cortex, eine bestimmte Region im Gehirn, eine Schlüsselrolle bei der Zeitmessung und -wahrnehmung spielt. Interessanterweise hing die gemessene Hirnaktivität nicht von der absolut verstrichenen Zeit ab, sondern von der Anzahl der erlebten Ereignisse und durchgeführten Aktivitäten. Das bedeutet, dass das Gehirn Zeit eher in Aktivitätseinheiten als in herkömmlichen Maßeinheiten wie Minuten oder Stunden erfasst. Ob die Aktivitäten als angenehm oder unangenehm empfunden werden, ist dabei gar nicht so entscheidend. Vielmehr kommt es auf die Gesamtmenge der Aktivität an. Bei mehr Aktivität vergeht die subjektiv erlebte Zeit schneller, während Langeweile und Unterforderung dazu führen, dass die Zeit langsamer verstreicht. Dieser interne Zeitmessmechanismus des Gehirns basiert auf einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Nervenzellgruppen, die wie in einer Staffel koordiniert zusammenarbeiten. Faszinierend ist auch, dass sich das akute Zeitempfinden, also das Erleben des Moments, vom späteren Zeitgefühl in der Erinnerung unterscheiden kann. Manchmal erscheint etwas im Nachhinein länger oder kürzer, als es tatsächlich erlebt wurde. Welche konkreten Anwendungen haben diese neurowissenschaftlichen Erkenntnisse für unser Alltagsleben? Um unangenehme Situationen und Wartezeiten subjektiv schneller vergehen zu lassen, ist es ratsam, sich sofort in Aktivitäten zu stürzen und sich abzulenken. Für ein bewussteres Erleben von Momenten und die Bildung guter Erinnerungen hingegen ist es günstiger, sich mehr Zeit zwischen den Aktivitäten zu nehmen und den Augenblick intensiv wahrzunehmen. So lässt sich die innere Uhr des Gehirns optimal nutzen und unser Zeitempfinden aktiv beeinflussen.
Literatur
Wirt, Ryan A., Soluoku, Talha K., Ricci, Ryan M., Seamans, Jeremy K. & Hyman, James M. (2024). Temporal information in the anterior cingulate cortex relates to accumulated experiences. Current Biology, 34, doi:10.1016/j.cub.2024.05.045
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