Verhaltenstätigkeiten, die die Kontrolle über automatische Routinen erfordern, werden in der Regel als anstrengend empfunden und führen zu kognitiver Ermüdung. Abgesehen von subjektiven Berichten bringt eine kognitive Ermüdung überhöhte Kosten der kognitiven Kontrolle mit sich. Die Ursachen einer solchen Inflation der Kontrollkosten bei kognitiver Arbeit sind jedoch nach wie vor stark umstritten.
Wiehler et al. (2022) versuchten jüngst eine neuro-metabolische Erklärung, wobei die Kosten mit der Notwendigkeit zusammenhängen, potenziell toxische Substanzen zu recyceln, die während der kognitiven Kontrollanstrengung angesammelt werden. Mit Hilfe der Magnetresonanzspektroskopie hat man dabei die Metaboliten im Gehirn während eines sechsstündigen Arbeitstages überwacht, an dem zwei Gruppen von Teilnehmern entweder anspruchsvolle oder weniger anspruchsvolle kognitive Aufgaben durchführen mussten. Die Aufgaben bestanden dabei aus einem Wechsel von Gedächtnistests und Aufmerksamkeitsübungen, wobei zwischen den Aufgabenblöcken jeweils Tests der Selbstkontrolle erfolgten, außerdem wurde die Pupillenweite der Teilnehmenden erfasst, da auch sie das Ausmaß der geistigen Anstrengung anzeigt.
Entscheidungsbezogene Ermüdungsmarker traten dabei nur in der Gruppe mit hohen Anforderungen auf, mit einer Verringerung der Pupillenerweiterung während der Entscheidungsfindung und einer Präferenzverschiebung hin zu Optionen mit kurzer Verzögerung und geringem Aufwand. Am Ende des Tages führte einne kognitive Arbeit mit hoher Anforderung zu einer höheren Glutamatkonzentration und Glutamat/Glutamin-Diffusion in einer kognitiven Kontrollhirnregion (lateraler präfrontaler Cortex) im Vergleich zu kognitiver Arbeit mit geringer Anforderung und zu einer Referenzhirnregion (primärer visueller Cortex.
Zusammen mit früheren Magnetresonanzspektroskopie-Daten stützen diese Ergebnisse ein neuro-metabolisches Modell, bei dem die Glutamatakkumulation einen Regulationsmechanismus auslöst, der die Aktivierung des lateralen präfrontalen Cortex verteuert und erklärt, warum die kognitive Kontrolle nach einem anstrengenden Arbeitstag schwerer zu mobilisieren ist.
Dieses Forschungsergebnis führte übrigens in der FAZ zu einem Artikel mit dem Titel:
Wenn geistige Arbeit im Gehirn ein Gift absondert.
Und in der Luzerner Zeitung und im St. Galler Tagblatt hieß es gar:
Zu intensives Denken ist Gift für das Hirn
Literatur
Wiehler, Antonius, Branzoli, Francesca, Adanyeguh, Isaac, Mochel, Fanny & Pessiglione, Mathias (2022). A neuro-metabolic account of why daylong cognitive work alters the control of economic decisions. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2022.07.010.
Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Pädagogische Neuigkeiten für Psychologen :::