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Die aktive Rolle des Thalamus bei der Entscheidungsfindung

    Wer darauf besteht, alle Faktoren zu überblicken, bevor er sich entscheidet, wird sich nie entscheiden.
    Henri-Frédéric Amiel

    Menschliche Entscheidungsfindung basiert auf der flexiblen Verarbeitung komplexer Informationen, d. h., die Menschen müssen wir große Informationsmengen bewältigen, wobei die Anforderungen an das Gehirn sind dabei von Situation zu Situation sehr unterschiedlich sind. So gibt es Situationen, in denen Entscheidungen dadurch erleichtert werden, dass wir bereits wissen, welche Informationsquellen relevant sind und selektiv beachtet werden sollten, aber es gibt auch Situationen, die Unsicherheit mit sich bringen und eine umfassendere Verarbeitung der komplexen Umweltinformation erfordern. Kosciessa, Lindenberger & Garrett (2021) haben untersucht, welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass das Gehirn die Informationsverarbeitung flexibel an die jeweilige Situation anpassen kann. Dabei wurden Probanden und Probandinnen gebeten, auf eine sich bewegende Wolke aus kleinen Quadraten zu achten, die sich in vier visuellen Eigenschaften unterschieden: Farbe, Größe, Helligkeit und Bewegungsrichtung. Im Anschluss sollten sie eine Frage über eine der vier Eigenschaften beantworten, etwa ob sich mehr Quadrate nach links oder nach rechts bewegten. Bevor die Quadrate zu sehen waren, manipulierte man die Unsicherheit, indem man die Teilnehmer und Teilnehmerinnen darüber informierte, über welche Eigenschaften sie befragt werden könnten. Je mehr Eigenschaften dabei für relevant erklärt wurden, desto unsicherer sollten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden, auf welche Eigenschaften sie sich konzentrieren sollten. Mittels Elektroenzephalographie und funktioneller Magnetresonanztomographie stellten man fest, dass die EEG-Signale der Teilnehmer und Teilnehmerinnen von einem rhythmischen Modus in einen arhythmischeren Zustand des neuronalen Rauschens wechselten, wenn die Unsicherheit über die zukünftig relevante Eigenschaft anstieg. Bekanntlich können neuronale Rhythmen besonders nützlich sein, wenn man relevante aus irrelevanten Informationen auswählen muss, wobei im Gegensatz dazu ein erhöhtes neuronales Rauschen das Gehirn für verschiedenartige Informationsquellen empfänglich stimmen könnte. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Fähigkeit, dynamisch von einem rhythmischen in einen Rauschmodus zu wechseln, eine flexible Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn unterstützt, wobei der Grad des Wechsels von einem rhythmischen Modus in einen Zustand des Rauschens in den EEG-Signalen der einzelnen Probanden und Probandinnen stark mit einem Anstieg der Aktivität im Thalamus einherging, also jener Gehirnstruktur, die über die alleinige Messung der EEG-Aktivität weitgehend unzugänglich ist und hauptsächlich als neuronale Schnittstelle für sensorische und motorische Signale angesehen wird. Die Untersuchung zeigte die aktive Funktion des Thalamus für solche Entscheidungsprozesse, indem er die dynamische neuronale Signalverarbeitung im Allgemeinen fördert und Hirnzustände situationsgerecht anpasst, damit man bessere Entscheidungen treffen kann.



    Literatur

    Kosciessa, J. Q., Lindenberger, U., & Garrett, D. D. (2021). Thalamocortical excitability adjustments guide human perception under uncertainty. Nature Communications, 12:2430. https://doi.org/10.1038/s41467-021-22511-7
    https://nachrichten.idw-online.de/2021/04/29/wie-kann-das-gehirn-flexibel-mit-komplexen-informationen-umgehen/


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