In Studien zur Allergen-Immuntherapie wird neben der eigentlichen Studiengruppe zumeist zur Kontrolle eine Placebo-Gruppe angelegt, die anstelle des zu untersuchenden Medikaments ein wirkstofffreies Präparat erhält. Allerdings können dabei starke Placebo-Effekte diesen Nachweis erschweren, denn Placebo-Effekte werden in fast allen Studien zur Allergiebehandlung beobachtet. In Studien zur allergenspezifischen Immuntherapie werden Placebo-Effekte in zum Teil erheblichem Umfang beobachtet, wobei einzelne Studien jedoch Placebo-Effekte von über 50 Prozent im Vergleich zum Wirkstoff feststellen.
Allergische Reaktionen können daher aufgrund der Konditionierung auf einen bestimmten Hinweisreiz auch in Abwesenheit von Allergenen ausgelöst werden. Besedovsky et al. (2020) haben an Menschen, die an allergischer Rhinitis leiden, gezeigt, dass eine allergische Reaktion auch bei Abwesenheit von Allergenen ausgelöst werden kann, indem man einfach den Umgebungskontext, in dem ein Allergen zuvor verabreicht wurde, erneut durchlebt. Im einem Experiment wurden Probanden mit allergischem Schnupfen in einem neutralen Versuchsraum durch Verabreichung eines Nasensprays mit ihrem jeweiligen Allergen wie Gräser- oder Birkenpollen konfrontiert. Die Hälfte der Probanden ging nach diesem Experiment für acht Stunden schlafen, die zweite Hälfte musste bis zum kommenden Abend wach bleiben. Eine Woche darauf wurde das Experiment im selben Versuchsraum wiederholt, nur dass dieses Mal keine Allergene verabreicht wurden. Die Probanden reagierten schon kurz nach Betreten des Versuchsraums mit allergischem Schnupfen, allerdings nur die aus der Gruppe, die vor einer Woche im Anschluss an die Konfrontation mit dem Allergen geschlafen hatten. Weder hätten die Versuchsteilnehmer der Wachgruppe allergisch auf die Rückkehr in den Versuchsraum reagiert noch hätte ein anderer Ort, an den die Probanden der Schlafgruppe in der zweiten Woche geführt wurden, eine solche Wirkung gehabt. Offenbar ist Schlaf notwendig, um den Zusammenhang zwischen Umweltkontext und Allergen zu festigen, was bestätigt, dass an der Konditionierung durch die Umwelt, wie bei vielen Gedächtnisprozessen, der Hippocampus beteiligt ist, denn dieser arbeitet schlafabhängig. Die Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass allergische Reaktionen auch schon nach nur einem einzigen Konditionierungsversuch allein auf Kontextinformationen konditioniert werden können, dass aber Schlaf notwendig ist, um diese rasch erworbene maladaptive Reaktion zu konsolidieren. Diese Befunde haben Implikationen für das Verständnis der oft beobachteten Placebo-Allergie, die in Abwesenheit von Allergenen auftritt.
Literatur
Besedovsky, Luciana, Benischke, Mona, Fischer, Jörg, Yazdi, Amir S. & Born, Jan (2020). Human sleep consolidates allergic responses conditioned to the environmental context of an allergen exposure. Proceedings of the National Academy of Sciences, 117, doi:10.1073/pnas.1920564117.
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