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Erinnerungen werden unbewusst geschönt

    Menschen reichern im Alltag Erinnerungen mit ihrem heutigen Wissen an. Man muss eta nur genau zuhören, wie alte Menschen über ihre eigene Kindheit sprechen. Die Anzahl großartiger Kindheiten ist, wenn man ihnen glauben schenkt, inflationär, d. h., sie waren in ihrer Erinnerung immer klüger und fleißiger als die heute Jungen und haben schon immer alles gewusst. Das geschieht aber ohne bösen Willen, sondern sie sind überzeugt davon, dass damals alles besser war. Menschen sind schon naturgemäß Meister der Selbsttäuschung, denn Menschen besitzen nur interpretierte Erinnerungen an ihr Leben und sind bereit, sich viele Dinge schönzureden. Aber Menschen sind in der Lage, ihre falschen von den richtigen Erinnerungen zu unterscheiden. Dazu gehört, dass man ein Bewusstsein dafür schafft, wie fragil Erinnerungen sind. Wenn man diese Mechanismen des Erinnerns und Vergessens besser versteht, ist man auch weniger gefährdet.

    Siehe dazu den Essay „Erinnern, die Schwester des Vergessens„.


    Strategien zur Selbsttäuschung

    Es gibt wahre Meister darin, sich selbst zu belügen, wobei Selbsttäuschung offenbar zum Leben eines jeden Menschen dazugehört. Das Perfide an der Selbsttäuschung aber ist, dass sie sich einfach in die Gedanken hineinschleicht, ohne dass es vielen bewusst wird. Vier typische Strategien der Selbsttäuschung haben Francesco Marchi und Albert Newen (2022) beschrieben und wie sie funktionieren.

    • Die erste Strategien ist die „Reorganisation der Überzeugungen“, wobei man die Fakten so interpretiert, dass sie den Überzeugungen folgen, obwohl die Beweise eher dagegen sprechen. Statt die Überzeugung also anzupassen, behält man die Überzeugung bei und organisiert sich eine Interpretation, die das zulässt.
    • Eine zweite Strategie ist das „Auswählen von Tatsachen“, dass man also jene Fakten auswählt, die die Überzeugung stützen, und umgekehrt gern alles vermeidet, was diese Überzeugungen torpedieren könnte.
    • Eine dritte Strategie ist das „Zurückweisen von Tatsachen“, wobei Menschen Fakten diskreditieren, die ihnen die eigene Überzeugung zerstören könnten, etwa indem die Glaubwürdigkeit der Quelle anzweifelt wird.
    • Als vierte Strategie ist das „Generieren von Tatsachen“, die dann zur Anwendung kommt, wenn es schwierig wird, die vorherigen Strategien aufrecht zu erhalten. Wo immer Situationen mehrdeutig sind, schlägt diese Strategie dann zu und fischt sich jene Erklärung heraus, die die eigene Überzeugung noch am meisten zu stützen vermag.

    Nur wenn Überzeugungen mittel- und langfristig völlig veränderungsresistent bleiben, wird es problematisch, vor allem dann, wenn sich die Umstände ändern und man an seinen Überzeugungen trotzig festhält.



    Literatur

    Marchi, Francesco & Newen, Albert (2022). Self-deception in the predictive mind: cognitive strategies and a challenge from motivation. Philosophical Psychology, doi:10.1080/09515089.2021.2019693.


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