Innere Uhren steuern in nahezu allen Lebewesen physiologische Prozesse sowie das Verhalten. Diesbezüglich weisen alle Tiere, einschließlich des Menschen, tägliche Rhythmen hinsichtlich ihrer Aktivität, ihres Schlafes, ihres Hungers, ihres Stoffwechsels sowie ihrer Fortpflanzung auf. Das System, welches die biologischen Rhythmen reguliert, wird als circadiane Uhr bezeichnet und steuert sämtliche Vorgänge im Körper innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums. Die zentrale Steuereinheit, die „Hauptuhr“, ist bei Wirbeltieren im Gehirn in einem Bereich lokalisiert, der als suprachiasmatischer Nukleus (SCN) bezeichnet wird. Die Funktion dieser Hirnregion beschränkt sich nicht auf die Regulierung und Synchronisierung der Rhythmen im Gehirn, sondern umfasst auch die Steuerung anderer Uhren in den Geweben des gesamten Körpers. Sie gewährleistet die koordinierte Funktionalität der Körperrhythmen und kann bei Störungen des Systems zu Schlaf- und Stoffwechselstörungen führen. Jede einzelne Zelle des menschlichen Körpers hat ihre eigene innere Uhr, wobei diese Uhren im Körper einer Art Hierarchie folgen. Diese Konstellation macht es möglich, dass sich der Mensch an einen neuen Hell-Dunkel-Rhythmus anpassen kann, zum Beispiel nach einer Zeitumstellung oder nach einem Flug in eine andere Zeitzone. Die Hauptuhr im Gehirn synchronisiert dann alle inneren Uhren des Körpers auf den neuen Hell-Dunkel-Rhythmus, was in der Regel einige Tage dauert, so dass man zunächst unter einem Jetlag leidet.
Chronische Schlafstörungen beeinträchtigen nicht nur kurzfristig die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Menschen, sondern haben fatale gesundheitliche Langzeitfolgen wie Bluthochdruck, Erkrankungen der Herzkranzgefäße und Depressionen. Viele Menschen haben im hektischen Alltagsgeschehen verlernt, vernünftig mit ihrem Schlafbedürfnis umzugehen.
Ob jemand Frühaufsteher oder Langschläfer ist, legen die Gene in Form einer inneren Uhr fest, die aus rund 20 000 Nervenzellen besteht, die im Gehirn direkt über dem Sehnerv sitzen. Über feine Nervenfasern ist dieser Zeitgeber mit dem Sehnerv verbunden, der sie mit seinen elektrischen Signalen täglich neu stellt. Auf Grund eines meist beruflich bedingten Arbeitsrhythmus müssen viele Menschen – nicht nur Schichtarbeiter – die Vorgaben ihrer inneren Uhr missachten. Indem sie versuchen, sich gegen ihre Natur an ihre Arbeitszeiten oder Gewohnheiten von Lebenspartnern und Freunden anzupassen, leiden sie häufig an Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Schlafforscher haben auch gute Argumente, um die Forderung nach späteren Schulzeiten vor allem in den höheren Klassen zu begründen, denn die in unseren Breiten üblichen Schulzeiten belasteten Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, denn diese vor 9:00 oder 9:30 Uhr zu unterrichten, ist ziemlich kontraproduktiv.
Leider sind auch viele Gerüchte über den normalen Schlaf im Umlauf, denn wer glaubt, ein Gesunder müsse sieben oder acht Stunden am Stück schlafen, liegt falsch und macht sich unnötig Druck. Der Biorhythmus der Menschen folgt einem wellenartigen Auf und Ab von mehr oder minder wachen und schlaftrunkenen bis verschlafenen Phasen im Tagesverlauf. Im ungünstigsten Fall passieren in solchen verschlafenen Phasen Unfälle im Straßenverkehr oder es verletzen sich Menschen bei der Arbeit.
Neue Erkenntnisse zur inneren Uhr
Die Anzahl der Neuronen, welche die Hauptuhr bei Wirbeltieren bilden, beläuft sich auf etwa 20.000. In Anbetracht dieser signifikanten Anzahl von Neuronen und der zahlreichen Verbindungen, die sie innerhalb des Gehirns bilden, ist es äußerst herausfordernd, die Interaktionen nachzuvollziehen und die Funktionsweise des Uhrennetzwerks zu verstehen. Um die Komplexität auf einem überschaubareren Niveau zu erfassen, bedient man sich Modellorganismen, deren Gehirne bereits kartiert wurden. Ein Beispiel hierfür ist das Gehirn der Taufliege Drosophila, welches nahezu 140.000 Neuronen umfasst. Reinhard et al. (2024) haben jüngst eine detaillierte Karte der Inneren Uhr im Gehirn der Taufliege Drosophila erstellt, indem sie das kürzlich erstellte Konnektom des Fliegenhirns nutzten, um alle Neuronen zu identifizieren, die zur circadianen Uhr gehören. Wann fand dabei, dass die innere Uhr der Taufliege aus mindestens 240 Neuronen besteht, deutlich mehr als die ursprünglich geschätzten 150. Einige der neu identifizierten Uhrneurone zeigen Eigenschaften, die bisher nur von Wirbeltieren bekannt waren, was auf eine größere Ähnlichkeit zwischen Insekten und Wirbeltieren hindeutet als bisher angenommen. Die Studie ermöglichte auch die Identifizierung bestimmter Typen von Uhrneuronen, die zusammenarbeiten und die Kommunikation im gesamten Uhrnetzwerk koordinieren. Diese Erkenntnisse helfen zu verstehen, wie rhythmische Verhaltensweisen wie Nahrungsaufnahme, Schlaf und Fortpflanzung sowie die Hormonausschüttung koordiniert werden, insbesondere bieten die Ergebnisse eine Grundlage für das Verständnis circadianer Dysregulationen und könnte zu neuen Therapieansätzen für Schlaf- oder Stoffwechselstörungen, etwa bei der Behandlung circadianer Gesundheitsprobleme.
Literatur
Reinhard, N., Fukuda, A., Manoli, G., Derksen, E., Saito, A., Möller, G., Sekiguchi, M., Rieger, D., Helfrich-Förster, C., Yoshii, T. & Zandawala, M. (2024). Synaptic connectome of the Drosophila circadian clock. Nature Communications., doi:10.1038/s41467-024-54694-0.
Schmidt, Walter (2009). Schlechte Nacht, guter Tag. Neues Deutschland vom 10.2.
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