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Ist Elternzeit ein Karriererisiko?

    Bettina S. Wiese

    Elternzeit: Ein Risiko für die Karriere?

    Experimentelle Studien zur sozialen Urteilsbildung

    Ausgangssituation
    “Sowohl Frauen als auch Männer wünschen sich heute beides: ein erfolgreiches Berufs- und ein zufriedenes Familienleben (Spieß, Kaschube, Nerdinger & von Rosenstiel, 1992; Wiese 2000). Auf den ersten Blick scheint der deutsche Gesetzgeber diesem Wunsch entgegenzukommen, liefert er doch mit der bis zu dreijährigen Elternzeit Berufstätigen die Möglichkeit, sich zeitweise ausschließlich der Kindererziehung zu widmen, ohne den eigenen Arbeitsplatz kündigen zu müssen“ (Wiese 2007, S. 79).
    Trotz alledem liefert eine formalrechtliche Arbeitsplatzsicherung keine Gewähr dafür, dass familienbedingte berufliche Auszeiten für die eigene berufliche Entwicklung keine Konsequenzen haben. Im Rahmen eines Experiments wird daher der Frage nachgegangen, wie erwerbstätige Frauen, die Elternzeit in Anspruch nehmen, beurteilt werden (vgl. Wiese 2007, S. 80).
    Vorlegungsbeispiel für Beurteiler
    “Maria M. ist 32 Jahre alt, verheiratet und von Beruf Biologin. Ihr Studium hat sie mit großem Erfolg gemeistert. Im Anschluss hat sie mehrere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität gearbeitet. Schon während dieser Zeit hat sie mehrere attraktive Angebote aus der Industrie erhalten. Vor rund zwei Jahren hat sie promoviert. Danach hat sie eine Stelle in der Forschungsabteilung eines Pharmakonzerns angenommen. Vor einem Jahr wurde ihr hier ein deutlich größerer Verantwortungsbereich übertragen. Ihr Mann, Jens M. (37 Jahre), ist Diplom-Informatiker und arbeitet in leitender Position in einem großen Unternehmen der Softwarebranche. Vor acht Wochen hat Maria M. ihr erstes Kind bekommen. Schon zu Beginn der Schwangerschaft war für sie klar, dass sie die ersten drei Jahre bei ihrem Kind bleiben möchte. Mit drei Jahren soll ihr Sohn dann in einer Kindertagesstätte betreut werden. Sie möchte dann an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren. Jens M. kann nachvollziehen, dass seine Frau die Möglichkeit eines dreijährigen Erziehungsurlaubes in Anspruch nehmen möchte“ (Wiese 2007, S. 81).

    Experimentelle Studien

    In den folgenden vorgestellten Studien wurde den Beurteilern die Beschreibung von Maria M. vorgelegt (vgl. Wiese 2007, S. 81).
    Studie 1
    In der ersten Studie sollte überprüft werden, ob eine Frau, die nach der Geburt eines Kindes eine dreijährige Elternzeit in Anspruch nimmt, negativer beurteilt wird als eine Frau, die in der gleichen Situation ganz auf eine familienbedingte Auszeit verzichten möchte. Die Beurteiler waren zwischen 20 und 56 Jahren alt und befanden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen (Studierende, Berufstätige, Menschen mit bzw. ohne Elternerfahrung). Zu beurteilen waren auf einer fünfstufigen Skala (von gar nicht ausgeprägt bis stark ausgeprägt) folgende Attribute: Beruflicher Ehrgeiz, Identifikation mit dem Unternehmen, Klarheit beruflicher Ziele, berufliche Zufriedenheit, Durchsetzungsfähigkeit, berufliche Leistungsfähigkeit, Verbundenheit mit der Organisation und berufliche Überforderung (vgl. Wiese 2007, S. 81f).
    Frauen, die nach der Geburt eines Kindes ohne Unterbrechung weiterarbeiten wollen, werden demnach positiver beurteilt als Mütter, die eine dreijährige Elternzeit in Anspruch nehmen möchten (vgl. Wiese 2007, S. 82).
    Studie 2
    Die zweite Studie zielte auf eine Erweiterung der Fragestellung ab, indem neben der Möglichkeit des Verzichts auf eine familienbedingte berufliche Auszeit und des Ausschöpfens der dreijährigen Elternzeit die Variante einer einjährigen Elternzeit mitaufgenommen wurde (vgl. Wiese 2007, S. 82).
    Erwartungskonform fand sich eine signifikant positivere berufsbezogene Beurteilung von Frauen, die die Auszeit auf ein Jahr beschränken wollten, als von Frauen, die eine dreijährige Auszeit einplanten (vgl. Wiese 2007, S. 83).
    Studie 3
    „Die dritte Studie zielte auf eine äquidistante Variation der Auszeitvarianten ab, indem nun vier Auszeitlängen vorgegeben wurden: keine Auszeit, einjährige Auszeit, zweijährige Auszeit und dreijährige Auszeit“ (Wiese 2007, S. 84).
    Im ersten Schritt wurde überprüft, ob Alleinerziehende anders beurteilt werden als in Partnerschaft lebende Mütter. Dies war weder in der Gruppe der Frauen, die sich gegen eine berufliche Auszeit entschieden hatten, noch in der Gruppe der Frauen mit geplanter dreijähriger Auszeit der Fall (vgl. Wiese 2007, S. 85).
    Mütter, die auch nach der Geburt eines Kindes kontinuierlich Vollzeit erwerbstätig bleiben wollten bzw. nur ein Jahr aussetzen wollten erhielten im Vergleich zu Frauen, die zwei bzw. drei Jahre aussetzen wollten, deutlich günstigere Bewertungen. Ein Unterschied zwischen Frauen, die entweder zwei oder drei Jahre aussetzen wollten, ergab sich jedoch nicht (vgl. Wiese 2007, S. 85f).
    Ausblick
    „Die Studien zeigen, dass Entscheidungen für oder gegen die Inanspruchnahme gesetzlich verankerter Elternzeitmodelle einen Einfluss auf die soziale Eindrucksbildung haben können. Insbesondere Entscheidungen für eine längere familienbedingte berufliche Auszeit (> 1 Jahr) scheinen hier von Relevanz zu sein und zu einer vergleichsweise negativeren berufsbezogenen Fremdbeurteilung zu führen“ (vgl. Wiese 2007, S. 86).

    Verwendete Literatur
    Wiese, B. (2007). Elternzeit: Ein Risiko für die Karriere? Experimentelle Studien zur sozialen Urteilsbildung. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 51, 79-87.




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