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Intelligenz prägt die Genauigkeit von Zukunftserwartungen

    Intelligenz umfasst mehr als nur die Fähigkeit, logische Probleme zu lösen oder Informationen schnell zu verarbeiten, denn sie beeinflusst auch die Qualität der Zukunftsprognosen von Menschen. Eine Studie von Dawson (2025) zeigte nämlich, dass Menschen mit einem höheren Intelligenzquotienten (IQ) realistischer und konsistenter einschätzen, wie lange sie leben werden. Diese Forschung basiert auf Daten der English Longitudinal Study of Ageing, in der die Lebensprognosen von über 3.900 Personen im Alter von über 50 Jahren untersucht wurden. Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage, ob ein höherer IQ mit einer besseren Kalibrierung subjektiver Überzeugungen – in diesem Fall zur eigenen Lebenserwartung – einhergeht. Kalibrierung bedeutet in diesem Fall, dass eine Einschätzung möglichst nahe an der statistischen Realität liegt. Man fand heraus, dass eine Erhöhung des IQ um eine Standardabweichung mit einer etwa 20% geringeren Fehlerquote bei den Lebenszeitprognosen einherging, wobei Menschen mit höherem IQ nicht nur zu genaueren Vorhersagen neigten, sondern zeigten auch deutlich weniger Schwankungen in ihren Einschätzungen über die Zeit hinweg. Diese Stabilität gilt als zentral für gute Entscheidungen in unsicheren Kontexten.

    Ein besonders interessanter Aspekt der Studie war der Einbezug genetischer Informationen, denn man nutzte genetische Varianten, die mit kognitiven Fähigkeiten und Bildungsniveau zusammenhängen, um die kausalen Effekte von Intelligenz auf die Genauigkeit der Prognosen zu überprüfen. Mithilfe der Mendelscher Randomisierung konnte man bestätigen, dass die beobachteten Effekte tatsächlich auf genetisch bedingte Unterschiede in der Intelligenz zurückzuführen sind und nicht bloß auf äußere soziale oder bildungsbedingte Faktoren.

    Die Ergebnisse werfen ein Licht auf die Rolle kognitiver Fähigkeiten bei Entscheidungen unter Unsicherheit, denn Menschen mit geringerem IQ machten nicht nur häufiger Fehler, sondern ihre Prognosen waren tendenziell auch weniger stabil. Solche Schwankungen können sich negativ auf langfristige Lebensentscheidungen auswirken, etwa in Bezug auf Finanzen, Gesundheit oder Ruhestandsplanung. Darüber hinaus stützen die Befunde frühere Beobachtungen, dass geringere kognitive Fähigkeiten mit finanziellen Fehlentscheidungen, niedrigerem wirtschaftlichem Wachstum und systematischen Denkfehlern in Verbindung stehen. Intelligenz ist demnach ein Schlüsselmerkmal für die Bildung realistischer Erwartungen und damit für die erfolgreiche Lebensgestaltung in komplexen, unsicheren Umwelten.

    Hinweis: Die Mendelsche Randomisierung ist eine epidemiologische Methode, die genetische Variationen nutzt, um kausale Beziehungen zwischen Risikofaktoren und Krankheiten zu untersuchen, indem sie die Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie nachahmt, wobei sie die zufällige Verteilung von Genen als Instrument zur Kausalitätsbestimmung verwendet. Die Methode basiert letztlich auf der Annahme, dass genetische Varianten, die mit einem bestimmten Risikofaktor assoziiert sind, auch mit dem Ergebnis wie etwa einer Krankheit in Verbindung stehen können, wenn dieser Risikofaktor tatsächlich kausal für die Krankheit ist. Da die genetische Verteilung zufällig erfolgt (Mendelsche Regeln), kann man davon ausgehen, dass die genetisch bedingte Exposition quasi randomisiert ist, wodurch Störfaktoren und umgekehrte Kausalität kontrolliert werden können.

    Literatur

    Dawson, C. (2025). IQ, genes, and miscalibrated expectations. Journal of Personality and Social Psychology, doi:10.1037/pspp0000567

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