Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) galt über fast drei Jahrzehnte als Goldstandard der Hirnforschung, basierend auf der zentralen Annahme, dass ein erhöhter Blutfluss in bestimmten Gehirnarealen direkt mit einer gesteigerten neuronalen Aktivität gleichzusetzen ist. Eine aktuelle Studie von Epp et al. (2025) stellt dieses fundamentale Dogma der Neurowissenschaften nun grundlegend infrage, indem sie nachweist, dass das herkömmliche BOLD-Signal (blood-oxygenation-level-dependent) den tatsächlichen Energie- und Sauerstoffverbrauch des Gehirns oft unzureichend oder sogar widersprüchlich widerspiegelt.
Durch den Einsatz neuartiger, quantitativer MRT-Verfahren bei Probanden während verschiedener kognitiver Aufgaben konnte man zeigen, dass in etwa 40 Prozent der untersuchten Fälle keine Kopplung zwischen Blutfluss und Sauerstoffgehalt bestand. Besonders brisant ist die Erkenntnis, dass in vielen Hirnregionen – insbesondere innerhalb des sogenannten Ruhezustandsnetzwerks (Default Mode Network) – ein Anstieg des Sauerstoffverbrauchs stattfand, ohne dass sich der Blutfluss entsprechend veränderte, oder dass ein vermindertes fMRT-Signal sogar mit einer tatsächlich erhöhten neuronalen Aktivität einherging.
Diese Diskrepanz zwischen hämodynamischer Antwort und tatsächlichem Stoffwechsel deutet darauf hin, dass viele Gehirnareale ihren Energiebedarf effizienter decken als bislang angenommen, was die Interpretation zehntausender bestehender Studien zur Disposition stellt. Die Konsequenzen dieser Entdeckung sind weitreichend, da sie nicht nur die Grundlagenforschung betreffen, sondern auch klinische Diagnosen von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer, Depressionen oder ADHS beeinflussen könnten. Fehlinterpretationen in der Vergangenheit könnten dazu geführt haben, dass vaskuläre Veränderungen fälschlicherweise als neuronale Defizite gedeutet wurden.
Um künftig valide Aussagen über die menschliche Hirnaktivität treffen zu können, plädieren die Experten für eine methodische Erweiterung der fMRT um quantitative Messungen des Sauerstoffflusses, was langfristig zu präziseren Hirnkartierungen und einem tieferen Verständnis von Alterungsprozessen und Krankheitsbildern führen soll.
Literatur
Epp, S. M., Castrillón, G., Yuan, B., Andrews-Hanna, J., Preibisch, C., & Riedl, V. (2025). BOLD signal changes can oppose oxygen metabolism across the human cortex. Nature Neuroscience, doi:10.1038/s41593-025-02132-9
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