Segen et al. (2025) haben jüngst gezeigt, dass ältere Menschen mit subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen (Subjective Cognitive Decline, SCD) subtile Störungen in ihrer räumlichen Orientierung aufweisen können – selbst dann, wenn klassische neuropsychologische Tests noch unauffällig bleiben. Da subjektive kognitive Beeinträchtigungen als Risikofaktor für eine spätere Alzheimer-Demenz gilt, deuten die Ergebnisse auf ein mögliches präklinisches Stadium der Erkrankung hin.
Die Untersuchung basierte auf einem Virtual-Reality-Experiment mit 102 Teilnehmenden im Alter von 55 bis 89 Jahren, darunter 30 mit subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen. In einer künstlichen Umgebung ohne visuelle Orientierungspunkte mussten die Probanden ihre Position und Blickrichtung anhand von Eigenbewegungen einschätzen, ein Prozess, der als Pfadintegration bezeichnet wird. Hierbei zeigte sich, dass ältere Personen generell größere Fehler machten, dass aber die Gruppe mit subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen durchgehend weniger präzise abschnitt.
Besonders auffällig war ein sogenannter Memory Leak, d. h., die Betroffenen konnten frühere Positionen im Raum schlechter mental speichern und aktualisieren. Mathematische Modellierungen deuteten darauf hin, dass dieser Defekt weniger auf motorische Faktoren als auf kognitive Ursachen zurückzuführen ist. Die Forschenden vermuten, dass Störungen im entorhinalen Cortex – einer Hirnregion, in der sogenannte Gitterzellen ein neuronales Koordinatensystem bilden – eine zentrale Rolle spielen. Dieser Bereich ist für die Alzheimer-Pathologie besonders anfällig und wird oft bereits in frühen Krankheitsstadien in Mitleidenschaft gezogen.
Die Befunde unterstreichen das Potenzial von Navigationsaufgaben auf Basis von Eigenbewegungen, um sehr frühe Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen, bevor eine manifeste Demenz entsteht. Künftig könnte dieser Ansatz nicht nur die Frühdiagnostik von Alzheimer verbessern, sondern auch die Wirksamkeit neuer Medikamente in klinischen Studien genauer erfassen. Langfristig wird angestrebt, die Methode zu vereinfachen und mit Biomarkern aus Blut oder Nervenwasser zu kombinieren, um ein zuverlässigeres Bild neurodegenerativer Prozesse zu erhalten.
Literatur
Segen, V., Kabir, M. R., Streck, A., Slavik, J., Glanz, W., Butryn, M., Newman, E., Tiganj, Z., & Wolbers, T. (2025). Path integration impairments reveal early cognitive changes in subjective cognitive decline. Science Advances, 11*(36), doi:10.1126/sciadv.adw6404
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