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Geschlechtsunterschiede bei Mäusen in ihrem Verhalten

    Eine neue Studie von Muir et al. (2024) zeigte, dass männliche und weibliche Mäuse unterschiedliche neuronale Pfade zur Unterscheidung zwischen Bedrohung und Sicherheit nutzen – auch wenn ihr beobachtbares Verhalten ähnlich erscheint. Diese Erkenntnis wirft grundlegende Fragen über bestehende Paradigmen in der neurowissenschaftlichen Forschung auf, insbesondere über die gängige Praxis, überwiegend männliche Tiere als Standardmodelle zu verwenden.

    In der Untersuchung trainierte man 17 Mäuse darauf, zwischen einem Hinweisreiz, der einen leichten Fußschock ankündigte (CS+), und einem neutralen Reiz (CS–) zu unterscheiden. Mithilfe von Faserphotometrie maßen sie in Echtzeit Kalziumsignale – ein Indikator für neuronale Aktivität – in zwei spezifischen Projektionen zum Nucleus accumbens (NAc): einerseits vom ventralen Hippocampus (vHip), andererseits vom medialen präfrontalen Kortex (mPFC). Zusätzlich nutzten sie chemogenetische Techniken, um diese neuronalen Wege gezielt zu deaktivieren und so deren funktionale Bedeutung für das Verhalten geschlechterspezifisch zu analysieren. Dabei zeigte sich, dass bei männlichen Mäusen die vHip→NAc-Verbindung spezifisch durch bedrohliche Reize aktiviert wurde, während weibliche Mäuse hingegen in dieser Verbindung keine Unterscheidung zwischen Bedrohung und Sicherheit zeigten – stattdessen war bei ihnen der mPFC→NAc-Pfad selektiv sensitiv gegenüber Bedrohungssignalen. Trotz dieser funktionellen Unterschiede blieb die anatomische Konnektivität beider Pfade bei beiden Geschlechtern gleich.

    In einer erweiterten Versuchsphase mussten die Tiere für eine süße Belohnung einen Hebel drücken. Wurde währenddessen ein bedrohlicher Hinweisreiz eingeblendet, sollten die Mäuse ihr Verhalten unterdrücken. Die gezielte Hemmung der neuronalen Pfade zeigte dabei eine doppelte Disssoziation: Nur bei männlichen Mäusen führte das Ausschalten der vHip→NAc-Projektion zu fehlerhafter Reaktion auf Bedrohung, während dies bei Weibchen nur nach Hemmung des mPFC→NAc-Pfads geschah.

    Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede auf neuronaler Ebene, trotz ähnlichem Verhalten, legen nahe, dass das Gehirn je nach Geschlecht unterschiedlich mit emotionalen Reizen umgeht. Dies liefert mögliche Erklärungen für Unterschiede in der Prävalenz und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen wie Angst oder Depression. Die Studie betont damit eindringlich die Notwendigkeit, beide Geschlechter systematisch in neurowissenschaftliche Forschung einzubeziehen, um generalisierbare Aussagen über Gehirnfunktion und Verhalten treffen zu können.



    Literatur

    Muir, J., Iyer, E. S., Tse, Y.-C., Sorensen, J., Wu, S., Eid, R. S., Cvetkovska, V., Wassef, K., Gostlin, S., Vitaro, P., Spencer, N. J., & Bagot, R. C. (2024). Sex-biased neural encoding of threat discrimination in nucleus accumbens afferents drives suppression of reward behavior. Nature Neuroscience, 27(10), 1966–1976.


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