Zheng & Meister (2024) haben sich mit dem Paradox der langsamen menschlichen Verarbeitungsgeschwindigkeit im Vergleich zur hohen Datenrate unserer Sinnesorgane beschäftigt. Der menschliche Informationsdurchsatz wird auf etwa 10 Bits pro Sekunde geschätzt, während unsere Sinneswahrnehmung Daten mit einer Geschwindigkeit von etwa einer Milliarde Bits pro Sekunde erfasst. Diese enorme Diskrepanz wirft grundlegende Fragen zur Funktionsweise des menschlichen Gehirns auf, insbesondere bezüglich der Rolle der Neuronen und der Frage, warum das Gehirn trotz seiner enormen neuronalen Ressourcen nur in der Lage ist, sehr begrenzte Mengen an Information gleichzeitig zu verarbeiten.
Die Forscher ermittelten die Geschwindigkeit des menschlichen Denkens, indem sie Techniken aus der Informationstheorie auf verschiedene menschliche Verhaltensweisen wie Lesen, Schreiben und das Lösen von Rubik’s Cubes anwendeten. Das Ergebnis war eine bemerkenswert langsame Informationsverarbeitung von nur 10 Bits pro Sekunde. Dabei wird deutlich, dass das Gehirn bei weitem nicht in der Lage ist, die riesige Menge an Daten, die es über die Sinne aufnimmt, in vollem Umfang zu nutzen. Stattdessen muss es die einströmenden Informationen stark filtern und nur die für das Überleben relevanten Daten in Entscheidungsprozesse umsetzen.
Ein weiterer zentraler Aspekt der Studie ist, dass das Gehirn scheinbar nur eine „Gedankenbahn“ gleichzeitig bearbeiten kann. Dies steht im Gegensatz zu unseren Sinnesorganen, die in der Lage sind, parallele Informationen zu verarbeiten. Zheng & Meister (2024) schlagen vor, dass diese Einschränkung auf die evolutionäre Entwicklung des Gehirns zurückzuführen ist, das ursprünglich für einfache Navigationsaufgaben in der Umwelt zuständig war. Demnach könnte menschliches Denken als eine Form der Navigation durch abstrakte Konzepte interpretiert werden, bei der nur eine Möglichkeit gleichzeitig verfolgt werden kann. Zheng & Meister (2024) schließen, dass diese Erkenntnisse zu einer Neubewertung der Forschung über die Informationsverarbeitung im Gehirn führen sollten und die Frage aufwerfen, wie dieses „Geschwindigkeitslimit“ in der Architektur des Gehirns kodiert ist. Darüber hinaus könnte die Erkenntnis, dass unser Gehirn nur mit einer Geschwindigkeit von 10 Bits pro Sekunde arbeitet, einige futuristische Vorstellungen, wie etwa die direkte Kommunikation zwischen Gehirn und Computer, relativieren. Solche Technologien könnten in der Praxis nicht viel schneller arbeiten als die natürliche Geschwindigkeit der menschlichen Gedanken.
Literatur
Zheng, J. & Meister, M. (2024). The unbearable slowness of being: Why do we live at 10 bits/s? Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2024.11.008
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