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Wie Hypnose funktioniert

    Schreck, generell Überraschungen führen dazu, dass momentan eingesetzte Schemata der Wahrnehmung und des Denkens nicht genutzt werden können. Damit fehlen „für eine Schrecksekunde“ gleichsam die Werkzeuge zur Wirklichkeitskonstruktion. In dieser Situation ist unser Bewusstsein empfänglich für Kommandos, die ihm bei der Auswahl adäquater Schemata helfen. Dies wird von Hypnotiseuren ausgenutzt. Der Hypnotiseur versetzt übrigens den Hypnotisierten mit dem Befehl „Sleep“ nicht etwa in Schlaf, sondern er verengt dessen Bewusstsein punktförmig. Der Befehl „Sleep“ ist gleichbedeutend mit: „Höre nur auf mein Kommando!“ Der Befehl „Sleep“, der im Grunde nichts anderes bedeutet als: „Höre nur auf mein Kommando“ erzeugt eine sog. Dissoziaton, also eine Spaltung des Bewusstseins in einzelne Ströme oder Kanäle. Ein Bewusstseinskanal ist nur auf die Stimme des Hypnotiseurs ausgerichtet. Die anderen Kanäle nehmen zwar wahr, was sonst noch geschieht, aber sie sind nicht mehr im Fokus der Aufmerksamkeit. Dieser ist reserviert für den Kanal, durch den die Stimme des Hypnotiseurs strömt. Hypnose setzt die Bereitschaft beim Hypnotisierten voraus, einen Bewusstseinskanal exklusiv für die Stimme des Hypnotiseurs zu öffnen. Dazu muss sich der Hypnotisierte nicht bewusst sein, dass er hypnotisiert wird und dass die Quelle der Stimme ein Hypnotiseur ist. Wichtig sind eine Reihe von Voraussetzungen, die eine exklusive Öffnung eines Bewusstseinskanals für eine Stimme begünstigen. Dazu zählen beispielsweise eine entspannte Situation, eine Phase relativer Ruhe nach extremem Stress, jede Form der Monotonie u. ä.

    Bei Neugeborenen beobachtet man, dass sie bevorzugt auf die Stimme der Mutter reagieren, obwohl sie offensichtlich noch keinerlei Form von Sprache oder Parasprache verstehen. Sie kennen aber den phonetischen Fingerabdruck der mütterlichen Klangerzeugung vermutlich schon aus dem Mutterleib. Dieser Klang schafft die Kontinuität zwischen dem Leben innerhalb und außerhalb des Mutterleibes. Dies ist die basale Orientierung des menschlichen Geistes. Die Macht der Hypnose knüpft vermutlich an diesen Sachverhalt an. Aber das ist eine Spekulation, die ich nicht beweisen kann.

    Wenn ein Hypnotiseur erst einmal einen exklusiven Kanal besetzt hat, kann dem Hypnotisierten eine Identität suggerieren zwischen seiner, also des Hypnotiseurs Stimme und der inneren Stimme des Willens des Hypnotisierten. Dann kann er nicht nur den Fokus der Aufmerksamkeit des Hypnotisierten lenken, sondern auch die Emotionen und die Reflexion. Somit kann er auch die Kritikfähigkeit selektiv ausschalten. Der Hypnotisierte kann dann nicht mehr als peinlich empfinden, was er sonst als peinlich empfinden würde.
    Man kann Menschen dazu bringen, „freiwillig“auf ihren freien Willen zu verzichten – durch Verführung, Täuschung oder auch durch nackte Gewalt.

    Die Hypnose als theoretisch begründetes Verfahren basiert nicht auf einem einheitlichen Theoriegebäude, sondern auf Ergebnissen aus verschiedenen Bereichen wie Wahrnehmungspsychologie, Gedächtnisforschung und Hirnforschung sowie der Psychotherapie.

    Neuronale Grundlagen der Hypnose

    Patrik Vuilleumier und Yann Cojan (Universität Genf) haben jüngst mit bildgebenden Verfahren erstmals gezeigt, welche Gehirnaktivitäten eine Person unter Hypnose zeigt. Während der Entspannung ist vor allem der Precuneus besonders aktiv ist, die Gehirnregion, von der seit etwa zehn Jahren als ein besonders wichtiger Teil des „Bewusstseinsnetzes“ bekannt ist. Ohne dieses Nervennetzwerk sind die Aufmerksamkeit und das Selbstbewusstsein ausgelöscht sind. In den Versuchen wurde einem Teil der Probanden unter Hypnose suggeriert, dass ihr linker Arm paralysiert, also vollständig gelähmt sei. Zugleich sollten sich alle Teilnehmer, also auch die nicht hypnotisierten, vorstellen, auf ein vorher verabredetes akustisches Signal hin ihre Hand entweder zu bewegen oder nicht. Während dieser Prozesse verglichen die Neurologen dann die Gehirnaktivitäten, wobei sich zeigte, dass die für die Bewegungssteuerung des Armes zuständigen Nervenzellen bei hypnotisierten Personen genauso aktiv sind, wie bei wachen Menschen. Vermutlich ist die Paralyse, die bei Hypnotisierten auftritt, weniger eine Hemmung der Neuronen als vielmehr eine Blockierung der Verbindung zwischen den „befehlsgebenden “und den „ausführenden“ Nervenzellen. Durch diese Abkopplung von den motorischen Ausführungsneuronen scheint es dem Gehirn besser möglich zu sein, sich „mit sich selbst“ zu beschäftigen und das Gehirn weiterhin aktiv bleibt, während die Außenwelt größtenteils ausgeblendetwird. Somit hat Hypnose mit Schlaf wenig zu tun hat, denn während des Schlafes ist auch der Precuneus kaum aktiv und auch bei Wachkomapatienten findet sich wenig Aktivität im Precuneus.

    In mehr als zwei Jahrzehnten haben Studien mit bildgebenden Verfahren des lebenden menschlichen Gehirns begonnen, die neuronalen Korrelate der Hypnose zu erforschen, und liefern eine vorläufige Darstellung der zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen, die an hypnotischen Phänomenen beteiligt sind. Die klinischen Erfolge der Hypnose sind einerseits gut belegt, andererseits stoßen Hypnose und Hypnosetherapie immer noch auf Widerstand, da die Grundlagen-Forschung bisher kein eindeutiges Bild ergeben hat. Während also wesentliche Fortschritte verschiedene Hypothesen zur hypnotischen Modulation von Aufmerksamkeits-, Kontroll- und Überwachungsprozessen unterstützen, verhindern komplexe Wechselwirkungen zwischen zahlreichen vermittelnden Variablen weitgehend die Möglichkeit, signifikante Gemeinsamkeiten zwischen den Studien zu finden. Besonders effektiv ist Hypnose bekanntlich bei der Löschung von Ängsten, Linderung von chronischen Schmerzen und psychosomatischen Krankheiten, meist schneller und gründlicher als mit anderen Behandlungen. Landry & Raz (2015) haben eine kritische integrative Synthese von Neuroimaging-Studien versucht, die auf Hypnose als Funktion der Suggestion abzielen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Hypnose spezifische neuronale Muster zu induzieren scheint, wobei vor allem Aktivitäten im medialen präfrontalen Cortex dabei aktiviert werden, was auch zu den bekannten individuellen Unterschieden in der hypnotischen Suggestibilität führt.



    Literatur

    Landry, Mathieu & Raz, Amir (2015). Hypnosis and Imaging of the Living Human Brain. American Journal of Clinical Hypnosis, 57, 285-313.
    Landry, M., Lifshitz, M. & Raz, A. (2017). Brain correlates of hypnosis: A systematic review and meta-analytic exploration. Neurosci Biobehav Rev., 81, 75-98.
    Hans Ulrich Gresch unter dem Subject „Blitz-Hypnose?“ am Wed, 06 Feb 2008 19:04:21 in den Newsgroups de.sci.psychologie,ch.talk.
    http://medecine.unige.ch (09-07-12)


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