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Wie Hunde menschliche Sprache verarbeiten

    Das menschliche Gehirn verarbeitet bei einem Zuruf die lexikalische Bedeutung getrennt von der emotionalen Prosodie der Sprache auf höheren Ebenen der Verarbeitungshierarchie. Prosodie ist dabei die Gesamtheit der lautlichen Merkmale beim Sprechen, die nicht an den Laut bzw. ans Phonem sondern an umfassendere lautliche Einheiten gebunden sind (Intonation, Tempo, Rhythmus, Akzent etc). Gábor et al. (2020) haben nuzn gezeigt, dass auch Hundegehirne lexikalische und emotionale prosodische Informationen in menschlichen gesprochenen Worten auseinanderhalten können. Bekanntlich beherrschen manche Hunde ja Hunderte verbaler Kommandos.

    Für diese Studie hat man die Tiere mittels funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht, um die neuronale Dynamik der lexikalischen Verarbeitung im Hundegehirn zu erfassen, wobei man ein ereigniskorreliertes Design nutzte, indem man Wiederholungseffekte in den neuronalen Reaktionen von Hunden auf lexikalisch markierte und auf lexikalisch nicht markierte neutrale Wörter in Form von Lob und neutraler Prosodie verglich. Die Tiere hörten in den Versuchen also immer wieder dieselben, bekannten lobenden Worte, einerseits in typischer Tonlage ihrer BesitzerInnen, andererseits in neutraler Form, wobei die Gehirnscans zeigten, dass das Gehirn die Sprachmelodie vorerst im Mittelhirn verarbeitet, dann erst den Inhalt der Worte im Hörzentrum der Großhirnrinde. Dabei konnte man deutlich zeitlich und anatomisch unterschiedliche Anpassungsmuster identifizieren, wobei sich in einer subcortikalen auditorischen Region sowohl kurz- als auch langfristige Anpassunsmuster für die emotionale Prosodie fand, aber keine für die lexikalische Markierung. Wortdarstellungen im auditorischen Cortex von Hunden enthalten demnach also mehr als nur die emotionale Prosodie, mit der sie typischerweise in Verbindung gebracht werden.

    Offenbar spiegelt diese Hierarchie der Verarbeitung von verbalen Reizen ein allgemeines Prinzip des Hörens wider, dass nämlich einfachere, emotional geladene Hinweise wie die Intonation oder der emotionale Gehalt in niederen Hirn-Regionen unterhalb der Großhirnrinde analysiert werden, während komplexere, erlernte Hinweise wie Wortbedeutungen dagegen auf einer höheren Stufe in der Großhirnrinde verarbeitet werden.


    Hunde sind ihr ganzes Leben lang oft einem ständigen Strom menschlicher Sprache ausgesetzt, wobei das Ausmaß ihrer Fähigkeiten zur Sprachwahrnehmung jedoch unbekannt ist. In einer Untersuchung haben Cuaya et al. (2021) die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) eingesetzt, um die Spracherkennung und Sprachrepräsentation im Hundegehirn zu untersuchen. Die Hunde hörten natürliche Sprachen und aus zusammenhangslosen Fetzen zusammengesetzte künstliche Sprachen in einer bekannten und einer unbekannten Sprache. Die Verschlüsselung von Sprache verzerrt auditive Regelmäßigkeiten, die für Sprache und eine bestimmte Sprache spezifisch sind, lässt aber die spektralen Stimmhinweise intakt.

    Man untersuchte dabei die Hypothese, ob Hunde auditive Regelmäßigkeiten von Sprache in einer vertrauten Sprache extrahieren können, oder ob es unterschiedliche Muster der Hirnaktivität bei natürlicher und künstlicher Sprache sowie bei vertrauter und unvertrauter Sprache gibt. Mithilfe der Multivoxel-Musteranalyse fand man heraus, dass bilaterale auditorische Cortikalregionen natürliche Sprache und künstliche Sprache unterschiedlich repräsentieren, wobei die Klassifizierungsleistung bei Hunden mit längeren Köpfen in der rechten auditorischen Region besser war. Diese neuronale Kapazität für die Spracherkennung beruhte nicht auf einer bevorzugten Verarbeitung von Sprache, sondern vielmehr auf der Sensibilität für die Natürlichkeit des Klangs. Darüber hinaus wurden bei natürlicher Sprache unterschiedliche Aktivitätsmuster für die beiden Sprachen im sekundären auditorischen Cortex und im Gyrus precruciateus gefunden, wobei bei älteren Hunden der Unterschied zwischen den Reaktionen auf die vertraute und die unbekannte Sprache größer war, was auf eine Rolle des Umfangs der Sprachexposition hindeutet. Es gab keine Regionen, die die verschlüsselten Versionen der beiden Sprachen unterschiedlich repräsentierten, was darauf hindeutet, dass der Aktivitätsunterschied zwischen den Sprachen bei natürlicher Sprache eher die Sensibilität für sprachspezifische Regelmäßigkeiten als für spektrale Stimmhinweise widerspiegelt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass getrennte cortikale Regionen die Erkennung der Natürlichkeit von Sprache und die Sprachrepräsentation im Hundegehirn unterstützen.
    Diese Studie belegt, dass auch nicht-menschliche Gehirne in der Lage sind, verschiedene menschliche Sprachen zu unterscheiden und wiederzuerkennen, und zeigt, dass die Fähigkeit, die Regelmäßigkeiten einer Sprache zu lernen, nicht nur dem Menschen zu eigen ist. Ob es sich dabei um eine Spezialität von Hunden handelt oder ob auch andere Tiere diese Fähigkeit haben, ist bislang noch nicht geklärt, denn Hunde leben seit zehntausenden von Jahren mit dem Menschen zusammen, sodass es möglich ist, dass sich in dadurch Veränderungen in ihrem Gehirn ergeben haben, die sie zu besseren Sprachhörern machen.



    Literatur

    Cuaya, Laura V., Hernández-Pérez, Raúl, Boros, Marianna, Deme, Andrea & Andics, Attila (2021). Speech naturalness detection and language representation in the dog brain. NeuroImage, doi:10.1016/j.neuroimage.2021.118811.
    Gábor, Anna, Gácsi, Márta, Szabó, Dóra, Miklósi, Ádám, Kubinyi, Enikő & Andics, Attila (2020). Multilevel fMRI adaptation for spoken word processing in the awake dog brain. Scientific Reports, 10, doi:10.1038/s41598-020-68821-6.


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