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Reiseempfehlung zur Geschichte der experimentellen Psychologie

    In Würzburg ist die weltweit bedeutendste Sammlung zur Geschichte der experimentellen Psychologie zu sehen. Den Anfängen der Psychologie stellten sich viele Fragen: Wie haben die ersten Intelligenztests funktioniert? Was waren die frühesten Verfahren zur Personalauswahl? Wie prägt sich der Mensch Begriffe ein?

    Mitte des 19. Jahrhunderts experimentierte auch der große Physiker Hermann von Helmholtz mit den Amphibien, um die Nervenleitgeschwindigkeit herausfinden und entdeckte, dass der Strom mit 30 bis 50 Metern pro Sekunde durch die Nerven in den Froschschenkeln floss. In Computersimulationen kann man in der Ausstellung „Erste Schritte der experimentellen Psychologie“ im Würzburger Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie Zeugnisse der Entstehung einer modernen Wissenschaft sehen.

    Die bekannteste Erfindung von Hermann von Helmholtz  ist der Augenspiegel, der in modernisierter Form auch heute noch verwendet wird. Sein Konzept ist verblüffend einfach: Hält der Arzt den Augenspiegel vor das Auge des Patienten, sieht er durch die Pupille hindurch den Augenhintergrund. Der schräg gestellte Spiegel lenkt das Licht auf den Untersuchungsbereich, ohne dass der Kopf des Beobachters das Licht verdeckt. Den Ophthalmologen eröffnete Helmholtz mit dem Augenspiegel die Möglichkeit, Netz- und Aderhaut sowie den Sehnerv zu begutachten. Die Erfindung des Augenspiegels verhalf Helmholtz zu enormem Ansehen, mehr als seine Erkenntnisse in der Grundlagenforschung. Der Nutzen des neuen Gerätes für sehr viele Menschen ist allerdings auch unübersehbar. In kurzer Zeit verbreitete sich der Augenspiegel weltweit. Helmholtz’ Beitrag zur Augenheilkunde war damit aber noch nicht erschöpft: 1851 erfand er das Ophthalmometer, um den Krümmungsradius der Augenhornhaut zu bestimmen. Diese technischen Entwicklungen trugen wesentlich dazu bei, die Augenheilkunde als eigene medizinische Disziplin zu begründen. In Berlin ging Helmholtz über die Grenzen einzelner Wissenschaftsdisziplinen hinaus und suchte nach allgemeinen, übergeordneten Gesetzen und stringenten Konzepten. Er zeigte, dass Energie nicht erzeugt und auch nicht vernichtet werden kann, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt wird. Hermann von Helmholtz fasste das Prinzip der Energieerhaltung in eine klar definierte und allgemeingültige Form. Als erster Hauptsatz der Thermodynamik hat sich das Prinzip der Energieerhaltung für sehr viele Bereiche als grundlegend erwiesen, nicht nur in Mechanik und Thermodynamik. Immer auf der Suche nach Erkenntnis, übertrug Helmholtz seine physikalischen Konzepte auf andere Naturerscheinungen und gilt wegen seiner Studien über Wirbelstürme, Gewitter, Luft- und Wasserwellen sowie Gletscher als einer der Gründerväter der modernen Meteorologie.

    Etwa 5000 Apparate umfasste die historische Fracht, die 2009 aus Passau, wo Werner Traxel 1981 mit dem Sammeln begonnen hatte, nach Würzburg übersiedelte. In Passau scheute man sich, die wertvollen Geräte auszustellen und zeigte sie vorwiegend auf Fachtagungen, doch in Würzburg können Exponate einem breiteren Publikum zugänglich gemacht, die zeigen, dass die Psychologie eine handfeste Naturwissenschaft darstellt.

    Im Ausstellungsteil zur Psychotechnik, die versuchte, die menschlichen Fähigkeiten zu messen und für jeden den passenden Arbeitsplatz zu ermitteln, finden sich Bauklötze für angehende Ingenieure oder ein Geschicklichkeitstest für Rangierer der Bahn. Auch die Geschichte dieser Wissenschaft kann seit Wilhelm Wundt nachvollzogen werden, der 1879 in Leipzig das erste Institut für experimentelle Psychologie weltweit gründete. Eine von Wundt entworfene Complicatonsuhr befindet sich in Würzburg und auch ein vom Uhrmacher Matthäus Hipp 1847 entwickeltes Chronoskop, mit dem man erstmals kleinste Zeitabschnitte messen konnte. Damit ließ sich exakt herausfinden, wie schnell die Versuchspersonen auf bestimmte Begriffe reagierten. In Würzburg gründete 1896 Oswald Külpe das erste psychologische Institut Bayerns, wobei die dort entstandene „Würzburger Schule“ der Denkpsychologie heute noch Weltruhm hat. Namen wie Oswald Külpe, Narziss Ach, Karl Bühler oder Karl Marbe fehlen in keinem Buch zur Psychologie-Geschichte, wobei die Wissenschaftler mit systematischer Selbstbeobachtung die Denkprozesse erforschten. Karl Bühler fand 1907 einen bis heute wohlbekannten Begriff für die plötzliche Erkenntnis: das Aha-Erlebnis. Fünf Schwerpunkte hat sie: die Reaktionszeit, die Psychotechnik, die Intelligenz, das Gedächtnis und die Sinnesempfindungen. Die Sammlung umfasst nicht nur beeindruckende Apparate, sondern auch rund 10000 Bände Literatur, die Nachlässe bedeutender Psychologen, etwa 1800 psychologische Tests und viele Foto-, Ton- und Filmaufnahmen. Letztere sollen erschlossen und teilweise ins Internet gestellt werden. Auch die die berühmte Umkehrbrille kann man in diesem lebendigen Museum aufsetzen.

    Würzburg ist eine Bildungsreise wert.

    Information
    Die Ausstellung im Würzburger Adolf-Würth-Zentrum, Pleicherwall 1, kann von Montag bis Donnerstag zwischen 9 und 18 Uhr sowie freitags von 9 bis 14 Uhr besichtigt werden. Empfohlen wird die Kombination mit einer Führung. Anmeldung unter Telefon (0931) 3188683

    Quelle

    http://www.nordbayern.de/service-freizeit/die-vermessung-des-menschen-1.450842 (11-01-22)
    https://www.pharmazeutische-zeitung.de/leben-fuer-die-wissenschaft-123528 (21-02-08)




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