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Thesen zur Wirkung von Gewalt in dem Medien

    • Eine der ältesten Thesen zur Wirkung von Gewalt ist die Katharsisthese, bereits Aristoteles zurückgeht und unterstellt, dass der Mensch über einen natürlichen „Aggressionstrieb“ verfügt, den er gelegentlich ausleben muss. Dieses Ausleben erfolgt jedoch nicht notwendigerweise in Form realer aggressiver Handlungen, sondern kann auch in der eigenen Phantasie vollzogen werden. So kann das Beobachten und gedankliche Miterleben dargestellter Gewalt helfen, den eigenen Aggressionstrieb abzuleiten, und so reale Aggression mindern.
    • Ebenfalls von einer Verminderung aggressiven Verhaltens durch die Rezeption gewalthaltiger Medien geht die Inhibitionsthese aus, die im Gegensatz zur Katharsisthese unterstellt, dass durch die Rezeption gewalthaltiger Medieninhalte Angst ausgelöst wird, wodurch insgesamt die Bereitschaft zu aggressiven Handlungsweisen gehemmt wird.
    • Die Habitualisierungsthese besagt, dass durch den ständigen Konsum von Mediengewalt insgesamt die Sensibilität gegenüber jeglicher auch realer Gewalt abnimmt, d.h., im Laufe der Zeit wird aggressives Verhalten als völlig „normal“ angesehen
    • Die Suggestionsthese unterstellt, dass die Beobachtung von Mediengewalt beim Rezipienten direkt zu einer Nachahmungstat führt – manchmal auch auch als „copycat“-Effekt oder beim Selbstmord als „Werther-Effekt“ bezeichnet.
      Anmerkung: Goethes zeichnete in diesem Klassiker der Literatur („Die Leiden des jungen Werthers“ – ein Briefroman)  ein genaues Porträt der jugendlichen Psychologie mit all ihrer Widersprüchlichkeit, Einsamkeit und Absolutheit der Gefühle. Werther, möchte in der unerfüllten Liebe zu Lotte die Regeln der Gesellschaft abstreifen und sich als Individuum grenzenlos erleben, liebt, dichtet, wütet und scheitert letztendlich.
    • Nach der Stimulationsthese führt das Ansehen bestimmter von Gewalt unter besonderen personenspezifischen und situativen Bedingungen zu einer Zunahme realen aggressiven Verhaltens.
    • Die Excitation-Transfer-Theorie ist eine Spezifizierung der Stimulationshypothese , wobei es hier um sehr kurzfristige Effekte wie unspezifische emotionale Erregungszuständegeht, die wie ein „Triebpotenzial“ wirken.
    • Die Rechtfertigungsthese postuliert einen umgekehrter Zusammenhang zwischen Mediengewalt und aggressivem Verhalten, dass nämlich aggressive Menschen deshalb violente Programminhalte konsumieren, weil sie so ihr eigenes, reales Verhalten als „normal“ rechtfertigen können.
    • Der Theorie des sozialen Lernens zufolge resultiert Verhalten aus einer Wechselwirkung von Person und Umwelt, wobei Erwartungen und Modelllernen eine wichtige Rolle spielen.

    In der Forschung herrscht inzwischen weitgehende Einigkeit darüber, dass der Zusammenhang zwischen Mediengewalt und Auswirkungen beim Rezipienten durch verschiedene Einflussfaktoren moderiert wird, die den Medieninhalt, die Person des Rezipienten und dessen soziales Umfeld betreffen. Diese Moderation besteht einerseits in Form einer Abschwächung der direkten Medienwirkung, andererseits in einer Verstärkung der physischen und psychischen Gewalt beim Rezipienten.
    In Bezug auf den Inhalt sind v. a. Ausmaß und Grad der expliziten Darstellung von Gewalt, die Attraktivität des Gewalttäters, die Rechtfertigung von Gewalt und die Konsequenzen für die Täter, die Darstellung negativer Auswirkungen von Gewalt für das Opfer, die Darstellung von Waffen, der Realitätsgehalt, ein evtl. humorvoller Kontext sowie das Genre zu berücksichtigen. Bei den Personenvariablen sind v. a. Faktoren wie Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, intellektuelle Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften (v. a. Aggressivität) untersucht worden. Im Hinblick auf das soziale Umfeld sind v. a. die Einflüsse von Familie, Schule und Peer-Groups sowohl im Hinblick auf den Medien(gewalt)konsum als auch auf die Vermittlung realer Gewalterfahrungen relevant.

    Das Phänomen der sozialen Ansteckung

    ist nicht neu: Der Medizinhistoriker Justus Hecker berichtete im 19. Jahrhundert über die sogenannte Tanzwut, die sich etwa in Aachen im Jahr 1374 kurz nach der großen Pest ausbreitete: „Hand in Hand schlossen sie Kreise, und ihrer Sinne anscheinend nicht mächtig, tanzten sie stundenlang in wilder Raserei, ohne Scheu vor den Umstehenden, bis sie erschöpft niederfielen.“ Auch wenn, wie häufig angenommen, die drogenähnliche Wirkung von Pflanzengiften als Ursache hinzukam, hatte die spezielle Ausprägung der Symptome eindeutig sozialen Charakter.
    Bereits 1974 wies zudem der Soziologe David Phillips nach, dass sich Menschen eher umbringen, wenn sie von den Suiziden anderer hören oder lesen. So korrelierte die Selbstmordrate in den Jahren 1947 bis 1968 mit der Suizid-Berichterstattung in der New York Times: Machte die Zeitung mit dem Thema auf, stieg die Zahl der Selbstmörder.
    Dennoch wissen nur wenige, dass auch psychische Störungen von einem Menschen zum anderen springen können: So brachen am 30. Januar 1962 in einem Dorf in Tansania drei Mädchen in unkontrolliertes, hysterisches Lachen aus; am 18. März litten bereits 95 Schülerinnen unter dieser seltsamen Krankheit. Zehn Tage später erreichte die Lachhysterie einen 90 Kilometer entfernten Ort und infizierte 217 Personen: Am Ende lachten Tausende.
    Auch Rückenschmerzen sind nach Ansicht der Sozialmediziner Heiner Raspe und Angelika Hüppe von der Universität Lübeck eine ansteckende Krankheit. Ihre Analyse der Gesundheitssurveys aus West- und Ostdeutschland zeigte, dass es vor der Wiedervereinigung im Osten kaum Menschen mit Rückenproblemen gab. Zehn Jahre später hatten die Ostdeutschen aufgeholt – sie lagen nun in puncto Rückenleiden mit den Wessis gleichauf: Das soziale Netz Ost hatte vom sozialen Netz West gelernt.
    Für den Mediziner und Soziologen Nicholas Christakis von der Harvard University sind derartige soziale Epidemien eindruckvolle Belege für die Macht eines sozialen Netzwerkes – die selbst vor dem Essverhalten nicht haltmacht. So wertete Christakis gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler James Fowler die Netzwerkkontakte von mehr als 5000 Menschen aus.

    Quelle
    Westerhoff, Nikolas (2010). Zeig mir deine Wunde.
    WWW: http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-zeig-mir-deine-wunde-1.1004092 (10-09-25)




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