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Routinen des Entscheidungsverhaltens

    Es ist gut, etwas Langsames zu tun, bevor man im Leben eine wichtige Entscheidung trifft.
    Paulo Coelho

    Wie beeinflussen Routinen das Entscheidungsverhalten?

    Bei neuen Entscheidungen ist uns die Lösung bzw. ein zielführendes Verhalten anfänglich gänzlich unbekannt. Um eine entsprechende Lösung herbeizuführen, setzen wir uns mit den verfügbaren Alternativen auseinander, bewerten diese und treffen schließlich eine Wahl. Neue Entscheidungen verlangen es, dass wir eine zielführende Lösung für das Problem identifizieren. Bewährte Entscheidungen bzw. solche Entscheidungen, die wiederholbar sind bzw. die schon wiederholt ausgeführt wurden bezeichnet man als routinierte Entscheidungen. Routinierte Entscheidungen beginnen dort, wo neue Entscheidungen aufhören. Die Lösungen zu identifizieren beginnt mit dem Entscheidungsprozess (vgl. Betsch 2005, S. 263).

    Bei neuen Entscheidungen geht es um die Frage „Welches Verhalten soll ich wählen?“. Bei wiederkehrenden bzw. routinierten Entscheidungen geht es um die Frage „Soll ich mein bisheriges Verhalten beibehalten oder davon abweichen?“. Die Veränderung des Entscheidungsproblems bewirkt unterschiedliche Auswirkungen hinsichtlich der Entscheidungen. Entscheidungen können nach Betsch (2005, S. 263) in logische Abfolungsphasen gegliedert werden:

    • Generierung von Verhaltensalternativen
    • Suche nach Informationen über die Alternativen
    • Bewertung und die Wahl eines Verhaltens
    • Implementierung
    • Lernen durch feedback

    Kognitive Entscheidungsforschung

    Am Beginn der neunziger Jahre bezeichneten Beach und Potter (1992, S. 115-126) das aufkeimende Interesse an Lernprozessen und Routinen als eine „Revolution“ in der kognitiven Entscheidungsforschung. Die Widerstände des Feldes gegen diese Entwicklungen waren teilweise erheblich und sind es noch immer. Ajzen (2002, S. 107 – 122) bezeichnete die Relevanz früheren Verhaltens auf zukünftiges als marginal. Dawes (1998, S. 497 – 548) bestätigt diese Tendenz in seinen Meinungen, indem er sagt, dass Routinen nicht in den Gegenstandsbereich der Entscheidungstheorie fallen würden.

    Die Forschungsergebnisse sprechen jedoch eine eindeutige Sprache und belegen vielmehr, dass Routinen einen systematischen Einfluss auf alle Phasen des Entscheidungsprozesses haben. Erinnerungen werden in der Situation zuerst aktiviert und fungieren so als Anker der Entscheidung. Bei routinierten Entscheidern verändert sich die Suche nach Information und die Bewertung der Alternativen

    Die Rolle des Dopamin

    Dopamin gilt bereits seit längerem als wichtigster Botenstoff für das Belohnungszentrum des Gehirns, denn das ist dafür zuständig, Reize, Tätigkeiten oder Ereignisse emotional zu bewerten und abzuschätzen, wie stark diese das persönliche Wohlbefinden beeinflussen werden. Diese Abschätzung ist auch für Entscheidungen wichtig, denn Menschen lassen sich sehr stark von der Erwartung beeinflussen, wie gut oder wie schlecht sie sich in Zukunft voraussichtlich fühlen werden. Britische Forscher um Tali Sharot haben entdeckt, dass das Gehirn offensichtlich die potenziellen Ergebnisse jeder Option inklusive der damit wahrscheinlich einhergehenden Emotionen simuliert und anschließend der attraktivsten Alternative eine Art Etikett zuweist, und zwar in Form des Gehirnbotenstoffes Dopamin. Diese Bewertung beeinflusst dann durch den emotionalen Beigeschmack, wie die Entscheidung ausfallen sollte.

    Der Mensch begegnet in natürlichen Kontexten vielen ähnlichen oder gleichen Entscheidungssituationen und lernt durch gewonnene Erfahrungen, welche Alternativen gute Lösungen für ein Entscheidungsproblem darstellen. Auf diesem Weg werden Routinen für wiederkehrende Entscheidungssituationen erworben (vgl. Betsch, 2005, S. 261). Betsch definiert Routinen als „die mentale Repräsentation eines bestimmten Verhaltens oder einer Verhaltenssequenz, die dominant mit der Repräsentation einer Entscheidungssituation assoziiert ist“ (Betsch, 2005, S. 262). Er differenziert zwischen neuen und routinierten Entscheidungen und nimmt die Abgrenzung dadurch vor, dass bei neuen Entscheidungen die Lösung anfangs noch unbekannt ist und diese identifiziert werden muss, während bei routinierten Entscheidungen die Identifikation einer möglichen Lösung bereits zu Beginn des Entscheidungsprozesses steht (Betsch, 2005, S. 262). Ward Edward importiert 1954 die Nutzentheorie in die Psychologie und legt damit den Grundstein dafür, dass das „gambling paradigm“ in der Entscheidungsforschung bis Mitte der 80er Jahre dominiert. Dieses Paradigma führt zu einer Verengung der Forschungsperspektive, da es lediglich die zentralen Prozesse der Entscheidung, nämlich Bewertung der vorhandenen Informationen und die Entscheidung selbst umfasst. Vorwissen, wie konkrete Erfahrungen, werden als Quelle für Störeinflüsse gesehen und sollen mittels neuwertiger Probleme und einer genauen Beschreibung der relevanten Informationen minimiert werden (vgl. Betsch, 2005, S. 262). In den 80er Jahren kommt es zu einer Erweiterung des „gambling paradigm“ durch einen Anstoß von Beach und Mitchell (1978), welche davon ausgehen, dass die Wahl einer Strategie unter Berücksichtigung des Kontextes stattfindet. Die Entscheidungsforschung wird erweitert und in den Modellen der Strategiewahl sind bereits Strategien integriert, die aus der Handlungserfahrung schöpfen. Trotzdem bleiben Routinen zu diesem Zeitpunkt noch weitestgehend unberücksichtigt (vgl. Betsch, 2005, S. 263). Das Forschungsprogramm „Naturalistic Decision Making“ bringt eine Wende, indem es aufzeigt, dass bei routinierten Entscheidungen durch die Wiedererkennung eines typischen Entscheidungsproblems gelernte Handlungsmuster automatisch aktiviert werden. In wiederkehrenden Situationen können Handlungsalternativen beobachtet werden, die einer „wenn-dann“ Komponente folgen, wobei die „wenn“-Komponente typische Merkmale der Situation und die „dann“-Komponente die Routine enthält (vgl. Betsch, 2005, S. 264). Betsch und seine Kollegen stellen durch Experimente fest, dass sich der Komplexitätsgrad der Suchstrategien und damit die Menge an Informationen, die vor der Entscheidung gesucht und verarbeitet werden, mit zunehmender Routinisierung verringert. Zu einer weiteren Einschränkung der gesuchten Informationen kommt es bei zunehmendem Zeitdruck. Dies kann dazu führen, dass etwas, das gegen die Routine spricht, nicht gefunden wird. Weiters kann es auch dazu kommen, dass trotz des Feststellens von Informationen, die gegen die Routine sprechen, bei der routinierten Handlung geblieben wird, da neue widersprechende Informationen an Einfluss verlieren, je häufiger eine Routine in der Vergangenheit ausgeführt worden ist. Neben dem Zeitdruck führt aber auch die Familiarität von aktuellen Entscheidungssituationen vermehrt zu Routinehandlungen (vgl. Betsch, 2005, S. 265). Bei starken Routinen müssen Menschen erst durch wiederholte unerwünschte Konsequenzen des Verhaltens die Unangemessenheit ihrer Routine erleben, bis diese aufgegeben wird. Aber selbst hier zeigen Studien, dass Personen ihre Routinen wiederholen, obwohl sich diese entschlossen hatten, diese aufzugeben. Georg Schwarz bezeichnet dies als Rückfallfehler (vgl. Betsch, 2005, S. 266).

    Verwendete Literatur

    Ajzen, I. (2002). Residual effects of past on later behavior: Habituation and the reasoned action perspectives. Personality and Social Review, 6.
    Beach, L. R. & Potter, R. E. (1992). The psychology of the pre-choice screening of options. Acta Psychologica, 81.
    Betsch, Tilmann (2005). Wie beeinflussen Routinen das Entscheidungsverhalten? Psychologische Rundschau, 56, 261-270.
    Dawes, R. M. (1998). Behavioral decision making and judgement. In D. T. Gilbert, S. T. Fiske & G. Lindzey (Eds.), The handbook of social psychology (pp. 497-548). Boston, MA: Mc Graw Hill.
    Tali Sharot, Tamara Shiner, Annemarie C. Brown, Judy Fan, Raymond J. Dolan (2009). Dopamine Enhances Expectation of Pleasure in Humans. http://www.cell.com/current-biology/
    abstract/S0960-9822(09)01844-2




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