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Psychologie der dominierenden Zeitperspektive

    Wir planen unsere Zukunft und nennen es dann Schicksal.
    Jakob Freimann

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Alle menschlichen Entscheidungen sind von der individuellen Zeitperspektive beeinflusst, die im Laufe des Lebens erlernt wurden, und entscheidet darüber, ob das Hauptaugenmerk auf die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft gerichtet ist. Sie gibt den Rahmen vor, wie Erfahrungen verschlüsselt, abgespeichert und erinnert werden, hat dadurch auch einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmungen und Emotionen, die Erwartungen und Ziele. Die meisten Menschen entwickeln eine dominierende Zeitperspektive, d. h., sie orientieren sich überwiegend entweder an der Zukunft, der Gegenwart oder der Vergangenheit. Die jeweilige Zeitperspektive verzerrt dabei die Wahrnehmung, macht blind für bestimmte Dinge, errichtet Gedankenbarrieren, lässt alles aus einem ganz bestimmten Blickwinkel sehen.
    Zukunftsorientierte Menschen lassen sich von Szenarien ihres künftigen Lebens leiten, sind zielstrebig und deshalb auch meist beruflich erfolgreich, sie ernähren sich gesund und betreiben regelmäßig Sport und nutzen Vorsorgeuntersuchungen. Andererseits sind sie oft genussunfähig in der Gegenwart.
    Menschen mit Gegenwartsorientierung lassen sich in ihrem Verhalten stärker von Umweltreizen und -angeboten leiten, denen sie gerade ausgesetzt sind. Sie sind weniger ehrgeizig und strebsam, stattdessen genussorientier, d. h., sie essen und trinken gerne, verbringen viel Zeit mit Spiel und Unterhaltung, sind aber auch sozialer und hilfsbereiter als die Zukunftsorientierten.
    Menschen mit einer Vergangenheitsorientierung durchleben immer wieder Szenen ihres bisherigen Lebens, wobei sie entweder in positiven Erinnerungen schwelgen, gerne auf schöne Erlebnisse, auf Erfolge und glückliche Momente zurückblicken und ihr Selbstbewusstsein aus diesen Erinnerungen schöpfen. Häufig aber kreisen Gedanken unablässig um seelische Verletzungen, Niederlagen und leidvolle Erfahrungen, was zu lähmenden Depressionen, Schuld- oder Rachegefühlen führen kann.
    Eine starre Zeitperspektive macht es daher schwierig, aus der Vergangenheit zu lernen, die Gegenwart zu genießen oder die Zukunft zu planen. Eine flexible Zeitperspektive hingegen erweitert die Wahrnehmung, indem sie einen Sichtwechsel ermöglicht und man sich besser einer Situation anpassen kann. Je nach den Erfordernissen der Situation ist eine bestimmte Zeitperspektive günstiger als die anderen, die dann in den Hintergrund treten sollten. Wenn man eine starre und verzerrte Zeitperspektive durch eine flexible und ausgeglichene Zeitperspektive ersetzt, kann man die Lebensqualität bedeutend erhöhen.


    Das goldene Zeitalter existierte immer nur in der Vorstellungskraft

    Solange Menschen an die Illusion glauben, dass früher alles besser war, sind sie anfällig für die Versprechungen aufstrebender Autokraten, die behaupten, sie könnten sie in ein goldenes Zeitalter zurückversetzen, das an dem einzigen Ort existiert, an dem ein goldenes Zeitalter jemals existiert hat: in der menschlichen Vorstellungskraft.

    Weltende

    Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
    In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
    Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
    Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

    Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
    An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
    Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
    Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

    Jakob van Hoddis (1911)




    Literatur

    Zimbardo, Philip G. (2009). Im Labyrinth der Seele: 100 Streifzüge durch die Psychologie. Weinheim: Beltz.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Weltende_(Jakob_van_Hoddis) (14-11-21)


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